Parkallee – Alles Klar Oder Was?

by | Feb 2, 2018


Fahrradstraße Parkallee – parkende Autos, Mischverkehr, Chaos

Ich habe das beobachtet – teilweise aus nächster Nähe, teilweise aus der Ferne: das leidige Hin-und-Her der Politik und Verwaltung (P&V) in der Parkallee. Was machen? Was tun? Wir haben einen Radweg, dann nicht, dann wieder doch, und nun weiß es keiner so genau gar nicht mehr. Was mich an der Sache so nachdenklich stimmt, ist die Unklarheit der Entscheidungsfindung. Wo ist die klare Linie?

Bremen ist eine tolle Fahrradstadt

Die Zeit, die ich über die letzten zwei Jahre in Bremen verbracht habe, ist recht angemessen. Angemessen genug, um mich als Kommentatorin hinsichtlich der Vorgänge in der Parkallee zu Wort melden zu dürfen. Es verblüfft mich immens, wie wenig die P&V Bremens bestehende Werte schätzen. Bremen ist eine tolle Fahrradstadt! Den Eindruck, den ich jedoch gewann, als ich mich mit EntscheidungsträgerInnen und AktivistInnen in Bremen unterhielt, war ein ganz anderer. Es schien irgendwie nur hinter der vorgehaltenen Hand erlaubt zu sein, zuzugeben, dass man und frau, Kind und Kegel, in Bremen radfährt. Warum die Schüchternheit?

Bremen überschätzt die Bedeutung des Autos

Diese Frage der Schüchternheit habe ich mir oft gestellt über die letzten paar Monate. Ich denke nun, dass die Antwort irgendwas mit der relativen Stellung des Fahrrades im Bremer Verkehrswesen zu tun hat. Zu einem: Was man kennt, wird nicht mehr wahrgenommen oder geschätzt. Zum anderen nimmt das Auto einen unverdient hohen Stellenwert ein – oder jedenfalls, so wird es erzählt, denken das „die anderen“. Durch ständige Wiederholung ist nun eine Halbwahrheit entstanden, die immer weiter durchkonjugiert wird. Die Wirklichkeit vieler BremerInnen ist jedoch anders, vermute ich ganz stark.

Bremen steckt im Visionsloch

Das andere Erwähnenswerte ist da wohl auch die Zuversicht. Es erscheint mir schon so, dass die P&V keine echten vorausschauenden Zukunftswünsche für Bremen haben. Wir sind in einer Art Visionsloch. Selbst der Verkehrsentwicklungsplan ist so vollgequetscht mit Dingen, dass es fast unmöglich ist, eine klare Linie zu erkennen. Wo geht es hin? An der Antwort kann noch viel gefeilt werden. Muss auch, damit Bremen sich weiterentwickeln kann.

Bremen muss wieder Radwege bauen

Was weiterhin tun? Meiner Meinung nach gibt es noch einen weiteren Weg der schnellstens beschritten werden muss. Der erste Schritt wäre, dass Bremen begreift, auf welcher Goldgrube es eigentlich sitzt. Radfahren macht schlank, klug und auch ein wenig reich. Na ja, es ist auf jeden Fall persönlich bereichernd, stauvermeidend und eine echte BürgerInnen-Aktion – Radfahren macht aktiv und zeigt persönlichen Einsatz im Stadtbild. Dieser Effekt allein muss mehr gestärkt und unterstützt werden. So ist es wichtig, ja unerlässlich, dass Bremen mit dem Radwegeabbau aufhört und mit dem Radwegeaus- und -neubau wieder anfängt. Und dazu bedarf es eines Gestaltungskataloges.

Bremen braucht einen Gestaltungskatalog für Radwege

In den USA haben sie das schon länger begriffen. Die gestalterischen Spielregeln müssen verbindlich geregelt werden, z.B. Radewegebreite, Arten von Trennung vom MIV usw.. Und somit ergab sich dann ein Verband von Verkehrsgestaltenden, die diesen Katalog aufstellten, NACTO heißt dieser. Er wird nun in den USA angewendet. Insbesondere Städte haben die NACTO-Regeln adoptiert, und weiter geht’s mit dem Radwegebau! Wenn’s im Superautoland USA geht, dann erst recht in einer Fahrradstadt wie Bremen. Ich kann noch hinzufügen, dass es ähnliches nun auch seit ein paar Jahren in London gibt. Dort heißt der Katalog dann London Cycling Design Standards. Das deutsche Regelwerk ist wohl relativ schwach und lässt zu viele Entscheidungslücken offen klaffen. Da muss das Ingenieurwesen mal ran.

Bremen muss weg vom Hin und Her

Vor allem braucht Bremen Klarheit. Es wäre wegweisend für die städtische Zukunft, wenn große Zeichen gesetzt werden könnten. Die Parkallee braucht deutlicheren Gestaltungssinn und -verstand. BenutzerInnen müssen den Raum schnell und schmerzlos begreifen können. Das Hin-und-Her wäre jedermann und -frau erspart gelblieben. Ja schon, wir können Verkehrsversuche machen, aber selbst diese Versuche bedürfen mehr Klarheit. Was soll getestet werden? Welche Bedeutung hat die Parkallee für den Radverkehr und andere Fortbewegungsarten? Was soll gefördert werden? Das Erstellen eines Gestaltungskatalogs, wie NACTO oder der London Standards könnte der Bremer ADFC doch als eines seiner Ziel aufnehmen, oder?

4 Comments

  1. Thomas

    Ich glaube, das ist der richtige Weg. Auch Bremen braucht einen verbindlichen Standard, in dem alles klar geregelt ist: Planungsgrundsätze, Mindestbreiten, Belag, Design von Kreuzungen usw.
    Ein weiteres Beispiel für einen solchen städtischen Standard ist der “Oslostandard”, der in Oslo beschlossen worden ist.
    https://www.oslo.kommune.no/politikk-og-administrasjon/etater-og-foretak/bymiljoetaten/sykkelprosjektet/oslostandarden-for-sykkeltilrettelegging-article90771.html
    Zwar auf norwegisch, aber aufgrund der vielen Bilder und Grafiken in weiten Teilen verständlich.
    Nur ein Beispiel daraus. In Norwegen sind Fahrradstreifen in den nationalen Regelwerken der Standard. In Oslo will man dem Radverkehr auf belasteten Straßen größeren Schutz bieten, hat sich von Kopenhagen inspirieren lassen und in den Oslostandard das “opphøyd sykkelfelt” aufgenommen, also einen erhöhten Radweg mit Kante. Standardbredde (Standardbreite) : 2,2 m.
    Ich befürchte nur, dass es bei der Bremer Politik und Verwaltung gefühlte Ewigkeiten dauert, bis sie so etwas auf die Reihe kriegen, und deshalb das Herumgewurstel und das Bauen von zweitklassiger Infrastruktur so weitergeht.

    Reply
  2. Martin

    So einen Standard gibt es in Deutschland seit Jahrzehnten: ERA 2010 heißt das Werk. https://www.adfc.de/verkehr–recht/recht/stvo–co/era/empfehlungen-fuer-radverkehrsanlagen
    Das Problem sind ja auch nicht etwa fehlende Standards, sondern Menschen, die dieses Standards auch umsetzen. Solange wir (als Gesellschaft) nicht in die Auseinandersetzung mit den Autobefürwortern gehen, wird es nicht zu Änderungen kommen. Eine Verkehrswende weg vom MIV wird nicht schmerzfrei zu erreichen sein. Die Emonationalität der Autofahrenden/stehenden müssen wir widerstehen und etwas entgegensetzen.
    Der VEP in Bremen ist eine gute Basis. Vor allem ist er von der Bürgerschaft beschlossen. Wir müssen nur die schnellst-und größtmöglichste Umsetzung einfordern! Und das immer und ständig.

    Reply
    • Bärbel

      Die ERA 2010 ist leider nicht auf dem Stand der heutigen Diskussion, ich habe den Verdacht, dass sie so formuliert sind, dass sie den Autos möglichst wenig Platz wegnehmen. Bei uns in Bielefeld orientiert sich die Stadt an diesen Standards zumindest teilweise – das Resultat sind haufenweise ungeschützte Streifen auf der Straße.

      Reply
  3. Anne

    Heute, Montag der 14.5 an der “Fahrradstrasse” Parkallee – mein Weg zur Arbeit – fährt ein kleineres weißes Auto, Kennzeichen HB JN 673 so eng an mich vorbei dass ich wirklich Angst hat.
    Ich habe laut “Hey” geschrien – der Fahrer führ weiter.
    Ich bin hinter ihm her gefahren und ihm gefragt, ob er mich von der Strasse schubsen wollte oder was? Ich war wirklich am zittern, da er (gefühlt) nur 10cm von meiner Hand am Lenker war.
    Sein Antwort? “In Deutschland ist Rechtsfahrgebot”, Fenster hoch, weiter gefahren.
    An einer Strasse wo ich ausnahmsweise Vorfahrt habe, muss dieser Mann (Glatze, Bart, Tätowiert, Anfang 40) mich “erziehen ” in dem er mich erschreckt und bedroht.
    Was bitte soll das? Ausländerfeindlichkeit, Sexismus, und Automachismus alles zusammen? Was ist das für ein kranker Mensch, wie führt er überhaupt ein normales Leben?

    Reply

Submit a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *