Ralph Saxe – Verkehrswende ab 2019?

by | Nov 22, 2018

Nächstes Jahr wird in Bremen gewählt, und Bündnis90/Die Grünen haben vor dem Hintergrund der exzellenten Umfragewerte eine gute Chance, in einer möglichen Koalition eine bestimmendere Position einzunehmen. Sehen wir uns den bundesweiten Trend mit den rapide sinkenden Anteilen der so genannten Volksparteien an, so wird auch die Möglichkeit einer von den Grünen geführten Landesregierung vorstellbar.

Dies vor Augen haben wir Ralph Saxe vor unsere Kamera gebeten, den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft.

Kürzlich haben die Grünen grundsätzliche Forderungen zur Umverteilung der Finanzmittel für den Fuss- und Radverkehr vorgelegt. Sie fordern eine Vervierfachung  der öffentlichen Mittel für den Radverkehr auf rund 26€ pro EinwohnerIn und Jahr. Zum Vergleich: Kopenhagen gibt seit Jahren 35,6€  pro EinwohnerIn aus. Aber auch mit 26€ lägen die eingesetzten Haushaltsmittel noch immer weit unter den Geldern, die jährlich in den Autoverkehr fließen, nämlich mehr als 100 € pro EinwohnerIn. Auch fordern die Grünen, endlich  und erstmalig einen eigenen Haushaltstitel für den Fußverkehr einzurichten.

Wörtlich sagt Ralph Saxe in der Grünen Presseerklärung:

„Der Umbau Bremens zur Fahrradstadt muss weiter voranschreiten, damit noch mehr Menschen umsatteln. Derzeit reichen die Finanzmittel weder für die Instandhaltung bereits vorhandener Radwege noch für ambitionierte Vorhaben wie die geplanten Radpremiumrouten. Das muss sich mit der besseren Finanzausstattung ab 2020 ändern. Angesichts der immensen Ausgaben für den Autoverkehr ist der Rad- und Fußverkehr selbst bei signifikanter Mittelerhöhung von echter Gleichberechtigung meilenweit entfernt. Nötig ist deshalb auch eine konsequente Parkraumbewirtschaftung, um mit den Einnahmen den ÖPNV und die Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr weiter zu verbessern. Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise müssen wir der Verkehrswende mehr Schwung verleihen. Die Stadt profitiert davon, wenn noch mehr Menschen Rad fahren oder zu Fuß gehen: Die Lärmbelastung sinkt, die Luftqualität verbessert sich, die Lebensqualität steigt.“

Zusätzlich hier auch eine Zusammenfassung der Grünen Position zur Verkehrspolitik.

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2 Comments

  1. Meier

    Eine Verkehrswende ab 2019? Das Fragezeichen ist mehr als berechtigt. Sorry, aber nach 11 Jahren grüner Regierungsverantwortung, traue ich das den Grünen nicht mehr zu. Eine Partei, die in der Zeit sogar den Senator für Umwelt Bau und Verkehr stellt, kann sich nicht einfach hinstellen und z.B. von Studien reden, die verdeutlichen wie katastrophal das Verhältnis zwischen den Kosten für Radverkehr und Autoverkehr ist und so tun, als hätte man damit selber gar nichts zutun, oder als hätte man davon vorher gar nichts gewußt. DAS ist ein konkretes Ergebnis auch der grünen Politik der letzten Jahre.

    Und nein, das Angebot an die Radfahrer ist in Bremen wirklich alles andere als gut, Herr Saxe. Es wird auch in Bremen immer noch auf die autogerechte Stadt gesetzt. Als Radfahrer muß man in Bremen ähnlich leidensfähig sein, wie in anderen Großstädten. Der Grund warum in Bremen der Anteil der Radfahrer relativ hoch ist, liegt vor allem an den relativ kurzen Wegen und aber auch an der Mentalität der Bremer. Hier fährt man nicht Rad wegen einer guten Verkehrspolitik, sondern trotz der schwachen Verkehrspolitik. Das zeigt auch, wie hoch das Potenzial in Bremen wäre und wie sträflich und konsequent das von Rot/Grün ignoriert wird.

    Was bitte wurde in den 11 Jahren z.B. konkret in Richtung autofreie Inenstadt von den Grünen erreicht? Als Bewohner der Neustadt kann ich es sagen: Nichts! Weder beim fließenden, noch beim ruhenden Verkehr hat sich eine Besserung eingestellt. Der Autoverkehr ist nach wie vor überall dominierend. Autofahrer beanspruchen den Großteil des öffentlichen Raumes und werden außerdem auch nicht ernsthaft daran gehindert, den geringen Raum, der Fußgängern und Radfahrern geblieben ist, zusätzlich noch zuzuparken. Fußgänger und Radfahrer werden massiv benachteiligt. Wie hätte sich daran auch etwas ändern können, wenn doch nichts Entscheidendes dagegen unternommen wurde?

    Ganz im Gegenteil. Mit Entsetzen mußte ich im Weser-Kurier lesen, daß die 1000 wegfallenden Parkplätze, durch den voraussichtlichen Abriss des Parkhauses Mitte, komplett durch neue Parkplätze ersetzt werden. Der “grüne” Umweltsenator hat selber ein Gutachten dafür erstellen lassen, wie weit man z.B. das Parkhaus am Brill aufstocken lassen kann und für 2 weitere Etagen eine Zusage bekommen. Das steht im krassen Gegensatz zu dem angeblichen Ziel einer autofreien Innenstadt und da kann man nicht, wie Herr Saxe, glaubhaft davon reden, in Bremen würde man nicht mehr auf die autogerechte Innenstadt setzen.

    Die Grünen reden leider immer nur viel, ohne auch entsprechend zu handeln. Das kann man als Oppositionspartei machen, nicht aber, wenn man schon 11 Jahre in der Verantwortung steht. Da muß man dann auch mal vorweisen können, was bisher konkret erreicht wurde, wenn man seine Glaubwürdigkeit für zukünftige Pläne nicht verlieren will und da reichen ein paar Fahrradstraßen hier und ein paar aufgemalte Fahrradspuren dort, einfach nicht aus. Das ist in Bremen alles Flickwerk, ohne Konzept und ansonsten nur vage Ankündigungen (Fahrradbrücken, “Premium”-Radweg, autofreie Innenstadt) für eine unbestimmte Zukunft, ohne wirkliche Planungen dafür.

    Von “Bremenize” würde ich mir mehr kritische Distanz und deutlich kritischere Nachfragen bei solchen Videos wünschen.

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    • Beatrix Wupperman

      Liebe/r Meier, ja, Sie haben völlig recht: Wir sind ein kritischer Weblog und wollen das auch bleiben. Wir gehen mit Ihnen auch völlig konform, was die Infrastrukturlage angeht. Bremen macht zu wenig und hat doch so gute Voraussetzungen. Alleine die Tatsache, dass fast 25% aller Wege auf dem Rad zurückgelegt werden, darauf ließe sich doch wirklich aufbauen.

      Aber: Durch unser Engagement, kennen wir uns auch ein wenig in den politischen Strukturen unserer schönen Hansestadt aus. Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen ist nicht der Grüne Verkehrssenator, erstgenannter gehört der Legislative an, letztgenannter der Exekutive. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren. Und dann waren die Grünen bis jetzt immer der kleinere Koalitionspartner, die SPD hat bekanntlich vieles ausgebremst (und bremst immer noch), was sich die Grünen so wünschten, aktuelles Beispiel sind die Fahrradbrücken über die Weser. Ergo denken wir auch, ähnlich wie Sie es anklingen ließen, dass der Radverkehr zu wenig politische Unterstützung findet.

      Speziell zu Ralph Saxe. Was wir feststellen konnten, ist, dass sich die Erkenntnisse insbesondere von Ralph Saxe vermehrt haben: Vor diesem Interview hat fast niemand bei den Grünen von „protected bike lanes“ gesprochen, von Tempo 20 in Fahrradstraßen (was unser Vorschlag ist), von Umwandlung vierspuriger Straßen in zweispurige, um eine Spur für den Radverkehr freizuschlagen. Auch die Forderungen an den Bremischen Haushalt, die Ralph Saxe in dem Gespräch aufstellt, sind neu. Vielleicht sind sie auch erst jetzt möglich, wo sich die Aussicht auftut, sowohl das Finanzressort als auch das Verkehrsressort neu zu besetzen. Wie gesagt, die Politik steht manchmal im Wege, da sind wir uns wohl einig.

      Was uns positiv überrascht hat und uns besonders an dem Gesprächsinhalt gefreut hat: Ralph Saxe spricht sich dafür aus, subjektive und objektive Sicherheit gleich zu betrachten. Er rückt damit deutlich von den Forderungen vieler Radaktivisten und auch des Verkehrsenators ab, die trotz besseren Wissens immer noch behaupten, das Fahren auf der Fahrbahn sei für den/die FahrradfahrerIn objektiv sicherer. Und mit seiner Forderung nach protected bike lanes zeigt er, dass er verstanden hat, welche fatale Fehlentwicklung das ganze Gesums um das ach so glückliche Radeln auf der Fahrbahn in Gang gesetzt hat. Das ist ein echter Meilenstein nach unserem Verständnis der Sachlage.

      Aber richtig. Es gibt viel zu tun, zu verbessern und neu zu gestalten. Dieses Verstehen teilen wir mit Ihnen. Ralph Saxe übrigens auch: Das Mantra von der Autostadt nervt ihn ebenfalls.

      Falls möglich, eine Rückfrage an Sie: Was hätten Sie den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen Fraktion gefragt? Denn da ist ja immer auch ein mögliches nächstes Mal… In jedem Fall, danken wir für Ihren Beitrag. Er regt zum weiteren Nachdenken auf, was die politische Lage der Radverkehrsförderung in Bremen anbelangt.

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