Fahrradstraßen in Bremen: Paradebeispiel Humboldtstraße

von | Jan 30, 2017

Humboldtstraße

Humboldtstraße

Ganz besonders stolz ist die Bremer Politik auf die Umgestaltung der Humboldtstraße in eine Fahrradstraße. Der Umbau erfolgte übrigens nicht, weil die ExpertInnen diese Straße für die ideale Fahrradstraße hielten, sondern weil „Hansewasser“ Kanalsanierungsarbeiten durchführen wollte. In der schon genannten neuen Broschüre auf Seite 148 ist jedoch gar nicht das Wohl der FahrradfahrerInnen das oberste Ziel sondern das der FußgängerInnen, es ging um mehr Raum für FußgängerInnen. Erst dann folgt im Text: Mehr Sicherheit für den Radverkehr.

Die Zeit war knapp, und flugs wurde eine Neukonzeption der Straße geplant und der Öffentlichkeit vorgestellt: Radwege weg, der Platz wird den FußgängerInnen zugeteilt und der Parkraum verbreitert. Das Rad geht auf die Straße. Die Öffentlichkeit – und das steht natürlich nicht in der Broschüre – was not amused. Wir waren bei der Sitzung im Frühjahr 2012 dabei:

http://beautyandthebike.blogspot.de/2012/02/from-road-to-cycle-path-and-back-again.html

Insbesondere Frauen haben auf dieser Sitzung den Plan der Behörden, der vom ADFC unterstützt wurde, in Frage gestellt. Sie wollten ungern im Mischverkehr mit Autos Fahrrad fahren, und sie wollten nicht als lebende „Autoberuhigungs-Maßnahme“ dienen. Sie sahen die Sicherheit ihrer Kinder und der älteren FahrradfahrerInnen als gefährdet an.

Die Fahrradstraße Humboldtstraße ist seit 2014 „live“. Nach Mitteilung aus der Behörde fuhren bei Beginn etwas unter 5000 Autos und 5000 Fahrräder pro Tag durch diese Straße, wobei der Autoverkehr auf der Seite hin zur St.-Jürgen-Straße (da liegt ein großes Krankenhaus) stärker war als der Fahrradverkehr. Wie hat sich das entwickelt? Haben wir mehr Radverkehr als zuvor? Oder weniger Autoverkehr? Gab es Zwischenfälle oder Unfälle?

Was sagt der Beirat Östliche Vorstadt? Er hatte sich eine Evaluation zwei Jahre nach Einführung der Fahrradstraße gewünscht. Auf Anfrage beim Grünen Sprecher des Beirats, Steffen Eilers, bekamen wir die Antwort: „Der Teil unseres Beschlusses ist bisher nicht umgesetzt worden…!“ und: „da kann ich dir keinen neuen Stand bieten, außer das nach meinem subjektiven Eindruck die Humboldtstraße super angenommen wird.“ Aus dem Hause des zuständigen Senators bekamen wir ähnliche Antworten.

Nur das Ortsamt gab eine eher aktive Replik: „Sie haben Recht – in dem Beiratsbeschluss heißt es unter Punkt 11: ‚Der Beirat unterstützt die Ausweisung der Humboldtstraße als Fahrradstraße. Er verlangt zwei Jahre nach Inbetriebnahme eine Evaluation des Projekts. Der Beirat fordert die Aufstellung von zwei Messtafeln, die auch die Zahl der Autos und ihre Geschwindigkeit dokumentieren können.’Leider haben wir vom Amt für Straßen und Verkehr (ASV) noch nichts gehört. Wir werden uns beim ASV danach erkundigen.“

Wir sind gespannt.

Interessant ist, dass fast alle auch politisch wirksamen Maßnahmen im Verkehrsbereich letztlich bei diesem interessanten Amt zusammenlaufen, hier wird geplant, wo, ob und in welcher Form eine Fahrradstraße eingerichtet wird. Hat sich das ASV auch die Leitlinien für die Gestaltung der Fahrradstraßen ausgedacht? Oder woher kommt es, dass in diesen Leitlinien ausgerechnet die Obergrenze von 5000 Autos pro Tag (spot on Humboldtstraße) geregelt ist?

Es stellen sich gerade zur Humboldtstraße viele Fragen.

Warum ist hier der Durchgangsverkehr zugelassen? Warum diese hohe Obergrenze von 5000 Autos pro Tag? Warum gibt es keine Messtafeln für das Kfz- oder Fahrradaufkommen pro Tag? Warum sind die Vorfahrtsregeln hier so chaotisch gestaltet: Mal hat die Fahrradstraße Vorfahrt, mal wird hochgepflastert und damit quasi Shared-Space-Bedingungen geschaffen? Warum gibt es hier eine Ampel?

Aber vor allem: Warum gibt es keinerlei Überwachung des Kfz-Verkehrs und warum keine Erfolgskontrolle?

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4 Kommentare

  1. Sarah Pauli

    Liebe Frau Wuppermann,
    ich finde Ihren Artikel sehr gelungen und würde mir ein weiteres Video wünschen um folgende Aspekte zu betrachten.
    1. Der Versuch als Fussgänger mehrmals in der Rush hour über die Fussgängerampel zu kommen.
    Da ist aber äußerte Vorsicht geboten und ich würde nicht empfehlen es mit Kindern auszuprobieren.
    2. Am Ende der Straße Richtung Dobbenweg das entstehenden Chaos, weil dort jeweils ca. 30% der Radfahrenden auf die eine oder andere Seite des Fusswegs ausscheren um die Fahrbahn nicht weiter zu benutzen. Dabei werden Fussgänger und Radfahrende die aus den anderen Richtungen kommen oft in unangenehme Situationen gebracht.
    Viele Grüße
    Sarah Pauli

    Antworten
  2. Beatrix

    Liebe Frau Pauli, vielen Dank für Ihre Anregungen. Vielleicht sollten wir uns diese beiden Stellen gemeinsam anschauen, um rauszuarbeiten, was der Grund für Ihre Bedenken ist. Warum verhalten sich die RadfahrerInnen an der Kreuzung Am Dobben/Humboldtstraße so wie von Ihnen beschrieben? Und wo liegt die Gafährdung an der Fußgängerampel (Horner Straße?), die ja extra für die Kinder eingerichtet wurde? Vielleicht finden wir ja eine gemeinsame Ursache der Probleme?
    Besten Gruß
    Beatrix Wupperman

    Antworten
    • Sarah Pauli

      Liebe Frau Wuppermann,
      danke für Ihr Angebot.
      Wie kann ich Sie persönlich anschreiben, um über zum Beispiel ein Treffen überein zu kommen?

      Antworten
      • Beatrix Wupperman

        Liebe Frau Pauli, ich habe Ihnen eine Email geschrieben.

        Antworten

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