Kommentar zur Pressemitteilung des Bremer Bündnis für die Verkehrswende vom 1.3.19
Abbau des illegalen Parkens muss endlich angepackt werden!
Zur Diskussion über den ruhenden Verkehr im Beirat Schwachhausen vom 28. Feb. 2019
Seit Jahren werden in den innenstadtnahen Wohnquartieren die ohnehin schmalen Seitenräume in den Straßen für den Fuß- und Radverkehr (erg.: v.a. durch Falschparker und immer breiter werdende KfZ) weiter verengt – mit der Folge erheblicher Einschränkungen für die Aufenthaltsqualität, für Nahmobilität und Barrierefreiheit. Dabei hat sich Bremen im Jahre 2014 mit seinem Verkehrsentwicklungsplan 2025 (VEP) ganz andere Ziele gesetzt: “Um den öffentlichen Raum v.a. in Wohnquartieren barrierefrei zugänglich und erlebbar zu machen, wird der Parkraum schrittweise zugunsten von Nahmobilitätsqualitäten reduziert. (…) Aufgrund der teilweise sehr prekären Situation hinsichtlich der Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer/innen durch den ruhenden Kfz-Verkehr ist die Umsetzung als prioritär einzuschätzen.” (VEP, S. 169).
Da erstaunt, dass der Beirat Schwachhausen nach seiner höchst fragwürdigen Entscheidung vor einigen Wochen, 20 weitere Parkplätze in der Parkallee zu schaffen, es nunmehr gar erwägt, das illegale aufgesetzte Parken probeweise in drei Straßen zu legalisieren.
Hatte er doch selbst (erg.: angesichts des äußerst seltenen Eingreifens der Verkehrsüberwachung) von einem “Staatsversagen” gesprochen. Das Bestreben des Beirats widerspricht jedoch den Zielen einer nachhaltigen Verkehrswende vollkommen und ist Ausdruck einer Resignation angesichts der bisherigen offensichtlichen Untätigkeit von bremischer Politik und Verwaltung in Sachen “ruhender Vekehr”. Wir begrüßen es daher außerordentlich, dass auch die Stellungnahme aus dem Hause des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr das Vorhaben des Beirates rundweg ablehnt.
Die Landesverbände des BUND, des VCD, des FUSS e.V., und des ADFC – also des Bremer Bündnis für die Verkehrswende – fordern die Stadt Bremen auf, unmittelbar und sichtbar für die Gestaltung einer zukunftsfähigen Nahmobilität tätig zu werden: Bremen muss endlich den ruhenden Verkehr konsequent und stadtweit überwachen und Parkverbote durchsetzen, ein stadtweites Parkraummanagement einführen und die mittlerweile an vielen Orten erprobten und bewährten Methoden der Bewirtschaftung des Parkens auf öffentlichen Flächen einsetzen. Oder einfacher: Der Verkehrsentwicklungsplan muss endlich umgesetzt werden.
Bremen, 1.3.2019 Bremer Bündnis für die Verkehrswende
Soweit die Pressemitteilung des Bündnis Verkehrswende.
Nun noch einige ergänzende Erläuterungen für unsere Leser*innen. Wir beschreiben im Folgenden, was der Beirat da überlegt auszuprobieren – angesichts der auch von ihm wohl mehrheitlich als unerträglich angesehenen Situation der illegal zugeparkten Gehwege.
Eine der Straßen, in denen sich der Beirat einen Modellversuch für aufgesetztes Parken mit Begrenzung durch Strichmarkierung (!?) vorstellen kann, ist die Lürmannstraße: Einbahnstraße, insgesamt 10 m breit, rechts und links je 2 m Gehsteig, asphaltierte Fahrbahn, heute beiderseits aufgesetztes illegales Parken, von vielen Menschen nicht geduldet jedoch ertragen, von der Verkehrsüberwachung nur sehr selten besucht.
Quelle: Präsentation der Parkuntersuchung auf der Sitzung des Beirats-Fachausschusses Verkehr vom 1.Nov. 2017
Der Ansatz des Beirates ist in der Zeichnung links dargestellt. Darin sind jedoch wesentliche, in Realität häufig auftretende Gegebenheiten und Hindernisse, die Nutzer des Gehweges z.T. zum Ausweichen auf die Fahrbahn zwingen oder gar ganz aus der Straße heraushalten leider nicht berücksichtigt:
- Verengungen durch feste Einrichtungen wie Straßenlaternen, Schaltkästen etc.:
- temporäre Hindernisse wie Mülleimer, Hinweisschilder für Baustellen, Umzüge, am Zaun abgestellte Fahrräder, Begrenzungshecken, etc.:
- 70% der neu zugelassenen PKW sind laut ADAC bereits ohne Rückspiegel breiter als 1,80
- die Breite von weit verbreiteten Nutzfahrzeugen von Handwerkern, Lieferanten, … (typischerweise bereits ohne RS über 1,95m, mit RS bis 2,30m):
- Die unterschiedlichen Fähigkeiten von KfZ-Führer*innen, an einer weißen Linie einzuparken:
- Sicherheitsabstände von sich bewegenden Verkehrsteilnehmer*innen und -mitteln.
Bezieht man diese Gegebenheiten mit ein, so wird deutlich: so kann es nicht gehen, und das an sich schlimme Fehlverhalten beim Abstellen von Fahrzeugen würde durch eine Legalisierung gar noch zementiert.
Zur Ehrenrettung des Erstellers der dem Ganzen zugrunde liegenden Ausarbeitung sei hier gesagt, dass seine Beauftragung durch den Beirat u.a. forderte (so mündlich in der Sitzung bestätigt), EMPFEHLUNGEN FÜR DAS RUHENDE PARKEN AUSZUARBEITEN UNTER DER RANDBEDINGUNG, DASS KEINE AKTUELL GENUTZTEN PARKFLÄCHEN -WEDER LEGALE NOCH ILLEGALE- WEGFALLEN DÜRFEN. Da die Fläche im Straßenraum jedoch nur einmal da ist, finden wir es wenig überraschend, dass diese geforderte „Quadratur des Kreises“ so gar nicht gelingen konnte.
Dem Schwachhauser Beirat möchte ich sagen, dass ich den Eindruck habe, dass er sich möglicherweise angesichts der Unerträglichkeit der Situation in einen Ansatz „verrannt“ hat, der mobilitätspolitisch (s. VEP) nun wirklich in die gänzlich falsche Richtung geht und der auch schon aus rein straßenverkehrsrechtlicher und maßtechnischer Sicht schlicht und einfach nicht geht. Mit einer „Stadt für Menschen“ (Jan Gehl) hat das überhaupt nichts mehr tun.
Was hielten die Beiratsmitglieder denn vielmehr davon, sich mit den Beiräten/Ortsämtern der in ähnlicher Weise betroffener Stadtteile (ich denke an Findorff, Neustadt, Mitte/östl. Vorstadt, …) zusammenzutun und mit vereinten Kräften die schrittweise Umsetzung der im VEP 2025 in Sachen „ruhender Verkehr“ benannten Maßnahmen anzupacken: Reduzierung des Parkraums und konsequente Durchsetzung von Parkverboten? Sie könnten durchaus mit der Zustimmung vieler engagierter Bürger rechnen.
Ich kann ja nachvollziehen, was die Beiräte dazu bewegt hat, diesem Vorschlag zuzustimmen. Nach dem Motto “Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach” soll dafür gesorgt werden, dass wenigstens 1,5 m freibleiben, was ja tatsächlich mehr wäre, als der eine Meter oder weniger, der im momentanen Zustand des geduldeten illegalen Gehwegparkens teilweise nur verbleibt.
Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass das wirklich zu dem gewünschten Erfolg führt, da die freizuhaltenden 1,5 m durch eine weiße Linie auf dem Bürgersteig markiert werden sollen. Da solche Pflastermalereien üblicherweise wenig Beachtung finden (ein Beispiel hast du ja gebracht), wird die Linie ohne eine häufige Kontrolle keine Verbesserung bringen. Nur das Gehwegparken hätte man so legalisiert.
Lieber Jens, die interessante Frage wäre doch, warum der fortschrittliche Teil dieses Beirats (bis auf ein tapferes Mitglied) nicht auf die Idee kommt, dass in diesen Straßen schlicht zu viele Autos nach Parkraum suchen. Die Aufgabe für diese fortschrittlichen VolksvertreterInnen wäre doch, Lösungen zu suchen, die die innenstadtnah wohnenden, mit gutem ÖPNV-Angebot und Radwegen sowie Carsharing versehenen BürgerInnen dazu animiert, das Geld für ihr privates Auto einzusparen. Anstatt schlicht den FußgängerInnen den Platz abzuschneiden. Von der rechtlichen Fragwürdigkeit dieser wunderbaren Idee der Legalisierung von Schwarzparken mal abgesehen.
Danke.
Jetzt kann ich a) etwas besser den im Beirat Schwachhausen beratenen Antrag verstehen und b) finde ich die Pressemitteilung des Bündnisses für Verkehrswende sowie Deine erläuternden Worte dazu gut und hilfreich.
Wie kann es sein, dass auf der Zeichnung die Rückspiegel nicht mitgerechnet werden? Das sind auf jeder Seite fast 20 cm zusätzlich. Und die sind ja oft auch der Grund, warum Autofahrer sehr weit auf dem Gehweg stehen – damit ihnen auf der Straßenseite der Spiegel nicht beschädigt wird.
Hej Hein Blöd, soll ich den Kommentar echt ernst nehmen? Übrigens haben seit gefühlt mindestens 10 Jahren fast alle größeren Neuwagen Rückspiegel, die mit Abschalten des Motors automatisch eingeklappt werden. Aber vielen Dank für die besorgte Nachfrage.