Wie geht es weiter mit dem Bremer Bündnis für die Verkehrswende?
Mit über 165 Teilnehmer*innen war zum Fachtag des Bündnisses am 23. Oktober der Saal bis auf den letzten Platz belegt. Bereits im Vorfeld hatte er ein deutliches Echo in den Bremer Medien erzeugt: Die Vortragende Uta Bauer war vom Weserkurier interviewt worden, Heiner Monheim hatte einen Gastkommentar im Weserkurier verfasst und Radio Bremens „Buten und Binnen“ hatte der Thematik ein ausführliches Feature gewidmet. Einen ausführlichen Bericht findet ihr hier.
Der Fachtag begann mit einer hochengagiert vorgetragenen Rede von Heiner Monheim (Institut für Raumentwicklung und Kommunikation), in der er Deutschland als „Land der Staus“ charakterisierte und Bund und Länder u.a. vehement dazu aufforderte, dem Auto öffentlichen Raum wegzunehmen und diesen stattdessen für die Verbesserung der Lebensqualität in den Städten zu nutzen.
Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIFU) beschrieb in Ihrem Vortrag das Parkraummanagement als die Königsdisziplin der Verkehrswende, da alleine der Gedanke daran bereits an einem Tabu rüttele.
Jutta Deffner vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) beschrieb die Szenarien, die notwendig sind, um die globalen Klimaziele zu erreichen, und welche Veränderungen der (städtischen) Mobilitätskultur wir brauchen um diese Klimaziele zu erreichen,
Dominic Santner von der Arbeitnehmerkammer Bremen stellte die Pendlerströme in der Region Bremen vor; der Blick auf ihre ach negativen Auswirkungen auf viele Arbeitnehmer*innen, die in Bremen wohnen, blieb einer womöglich umfassenderen qualitativen Betrachtung vorbehalten.
Der anschließende Vortrag wurde von Gunnar Polzin gehalten, dem Leiter der Verkehrsabteilung beim Senator für Bau, Umwelt und Verkehr des Landes Bremen. Er bezog sich sehr folienreich auf die Umsetzung des Bremer Verkehrsentwicklungsplanes VEP 2025, musste aber, als er gefragt wurde, weshalb erst so wenig aus diesem seit 2015 bestehenden Plan umgesetzt worden sei einräumen, dass er nicht über genügend Mitarbeiter*innen verfüge um die erarbeiteten Maßnahmen durchzuführen.
Der Fachtag wurde durch ein Podiumsgespräch abgeschlossen, an dem Vertreter der Verbände des Bündnisses und drei der Vortragenden teilnahmen.
Ein naheliegendes Ziel des Fachtages war es, die Bremer Verwaltung durch die Beteiligung von Gunnar Polzin zu erreichen. Die Organisationen des Bündnisses teilen den Eindruck, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel von der Bremer Verwaltung nicht ernsthaft umgesetzt werden: Bereits das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 40% zu senken wird krachend verfehlt. Hinzu kommt, dass der Dieselskandal noch nicht annähernd gelöst ist und es immer deutlicher wird, dass die durch den fossilen Verkehr verursachten Luftschadstoffe zu einer Vielzahl von Gesundheitsschädigungen führen.
Gunnar Polzins Position war deutlich: Während er zustimmte, dass Bremen den Autoverkehr reduzieren müsse, vertrat er andererseits, dass dies nur mit der Zustimmung auch all jener Organisationen gehe, die sich dem am heftigsten widersetzten, allen voran die Handelskammer. Dieser integrative Ansatz habe schließlich zu Erstellung des Verkehrsentwicklungsplanes (VEP 2025) geführt. Und zudem unterscheide sich Deutschlands Mobilitätskultur von der anderer Länder. Überlegungen zur Erhebung von Parkgebühren in den Innenstädten müssen insbesondere den Wettbewerb mit den Einkaufszentren „auf der grünen Wiese“ berücksichtigen.
Dies ist einerseits nachvollziehbar, befinden sich doch im niedersächsischen Umland Bremens eine ganze Reihe von Einkaufszentren wie der Ochtum Park und Dodenhof.
Andererseits kennen wir aber auch Amsterdams sehr gut dokumentierte Erfolge, die mit Hilfe eines restriktiven flächeneckenden Parkraummanagements erreicht werden: Zwar gibt es auch dort im Umland große Einkaufszentren wie z.B. IKEA mit Gratis-Parkplätzen, dies scheintdie Gesamtstrategie des Parkraummanagements aber gar positiv beeinflusst zu haben: die Stadt hat hat an Beliebtheit ungemein dazugewonnen.
Ohne Frage ist angesichts von Klimakatastrophe und Verkehrsinfarkt eine Überarbeitung der auf nationaler Ebene gültigen deutschen Straßenverkehrsordnung (StVO) erforderlich, die den KfZ-Verkehr extrem gegenüber den anderen Verkehrsträgern bevorteilt. Dennoch: Bereits heute haben die Kommunen – so auch Bremen – durchaus Handlungsspielräume; eine kürzlich erschienene Studie von Agora Verkehrswende zeigt diese deutlich auf.
Auch was das Parken in Wohnquartieren angeht, wies Gunnar Polzin auf das im VEP 2025 beschriebene Maßnahmepaket hin.
Mit der Umsetzung gibt es aber ein Problem, das deutlich wurde, als die Moderatorin des Gespräches, Beatrix Wupperman, fragte, aus welchem Grunde die Maßnahmen G2 (Verringerung der Anzahl von Parkplätzen) und G3 (Abschaffung des illegalen Parkens durch effiziente Verkehrsüberwachung) noch nicht in Angriff genommen worden seien (s. Video 16 Min. und 5 Sek.)
Gunnar Polzins Antwort war im Kern: “Fehlendes Personal”. Mit dem Personalmangel wurde bereits in der Vergangenheit anders umgegangen: Die Machbarkeitsstudie zur ersten Fahrrad-Premium-Route und die Erstellung des VEP selber waren unter Hinzuziehung externer Zuarbeit realisiert worden. Die Parkraumbewirtschaftung hätte demgegenüber sogar noch den Vorteil, dass sie eine Refinanzierung solcher Arbeiten ermöglicht.
Trotz der Rhetorik des VEP 2025, die Parkflächen zu verringern, scheint geradezu das Gegenteil durchgesetzt zu werden: So fand am gleichen Tage wie die Konferenz ein „Runder Tisch“ zur Verbesserung der Situation in der „Fahrradstraße“ Parkallee statt, der „als Kompromiss“ anregte, die Anzahl der legalen Parkplätze von 50 auf 70 zu erhöhen.
Für das Bremer Bündnis bleibt also weiterhin viel zu tun. Zwei Themen ragen da u. E. besonders heraus: Während des Podiumsgespräches regte Uta Bauer an, sich nunmehr um die konkreten Gesichtspunkte eines stadtweiten Parkraummanagements zu kümmern. Dies bedeute, nun auch durchzusetzen, dass Finanzmittel für die oben angesprochenen VEP-Maßnahmen G2 und G3 bereitgestellt und dass konkrete Einzelmaßnahmen identifiziert und umgesetzt werden.
Als zweites sollte das Bündnis die Anregung eines Teilnehmers aus dem Publikum, der in der Bremischen Kinder- und Jugendstiftung aktiv ist, aufgreifen, nämlich nunmehr weitere Organisationen für die Mitarbeit im Bündnis zu gewinnen. Von besonderem Interesse seien Organisationen, die ebenfalls daran arbeiteten, die Stadt lebenswerter zu machen. Schließlich sei der Gewinn für ein gutes Zusammenleben noch weit größer als die Verbesserung der Mobilitätskultur alleine.
Beide Vorschläge erscheinen sinnvoll. Aber angesichts der Weigerung, wenigstens erst einmal eine Machbarkeitsstudie zu finanzieren, wird deutlich, dass weiterer demokratischer Druck aufgebaut werden muss, ähnlich dem Vorgehen des Volksentscheides Fahrrad in Berlin. Mit Blick auf die Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft im Mai 2019 bietet es sich an, die Initiative Platz Da! für einen Bürgerantrag zur Verkehrswende als nächsten Schritt mit voller Kraft zu unterstützen.
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