Eine Wahl für das Fahrrad?

von | Mai 10, 2019

Bremens Bürgerschaft

Am 8. Mai fand im “Buten un Binnen Wahllokal” eine Fernsehdiskussion mit den VertreterInnen von sieben zur Wahl stehenden Parteien statt. Angekündigt war, den Schwerpunkt der Diskussion vor allem bei den Themen Bildung und Verkehr zu setzen. Nachdem nun der Verkehr fast überhaupt nicht in der Fernsehdebatte auftauchte, dachten wir, es sei eine gute Idee, hier eine kurze Zusammenfassung der verkehrspolitischen Programmteile der Parteien zu liefern. (Das zu lesen, geht auch viel schneller, als den MatadorInnen 1,5 Stunden zuzuhören)

Die CDU setzt in ihrem Programm auf weiteren Straßenausbau – so ist der Ausbau der A20 nach Bremerhaven eine Priorität. Andererseits will sie „Schluss machen mit einer einseitigen und ideologischen Verkehrspolitik, die verschiedene Bedarfs-und Verkehrsträger gegeneinander ausgespielt und die Prioritäten der einen Verkehrsteilnehmer zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer organisiert hat.“

Ein Schlüsselinstrument der CDU-Verkehrspolitik ist die Verkürzung von „Reise- und Lieferzeiten“. Die Partei will es AutofahrerInnen einfacher machen, freie Parkplätze durch die Nutzung digitaler Instrumente zu finden, Ziel ist, „ein neues Parkleitsystem auf den Weg (zu) bringen, das unter Nutzung der digitalen Möglichkeiten Suchverkehre so weit wie möglich einschränkt und zu einer bequemen Zahlung ggf. anfallender Gebühren genutzt werden kann.Und: „In einem ersten Schritt wollen wir eine verkehrsträgerübergreifende Mobilitätsplattform im Internet einrichten und diese über eine ‚App‘ anwenderfreundlich auch ‚unterwegs‘ nutzbar machen. Diese soll nicht nur Verkehrsnachrichten enthalten und über die Verfügbarkeit von Parkraum in Echtzeit Auskunft geben.“

Klingt modern, aber: Voraussetzung hierfür wäre eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung – die die CDU gar nicht  fordert.

Zurück zu unserem Hauptanliegen, dem Fahrradfahren: Die CDU will das Fahrradfahren fördern, aber nicht nur als reines Transportmittel: “Wir wollen den Radverkehr als eine nicht nur die Mobilität, sondern auch die Gesundheit fördernde und die Umwelt schonende Verkehrsart infrastrukturell ausbauen”. Aber die vorgeschlagenen Maßnahmen sind begrenzt: Mehr Fahrradstellplätze, bessere Ampelschaltungen, „den Radverkehr zu einer festen Größe in der Planung und Realisierung von Straßenbaumaßnahmen machen“ und kleinteilige Maßnahmen wie ein Leasingsystem für Dienstfahrräder der MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst.

Aber leider fehlen strategische Vorstellungen von CDU-Seite zur nachhaltigen Verringerung des motorisierten Verkehrs in Bremen. Wir haben den Eindruck, dass die CDU-Vorstellungen eher zu mehr Autos führen werden. Das Wort Verkehrswende haben wir in ihrem Programm gar nicht gefunden.

Die SPD sieht sehr wohl, welche herausragende Rolle der Fahrradverkehr in Bremen spielt und betont, dass Bremen “unter den deutschen Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (..) den höchsten Radverkehrsanteil” besitzt und “und nicht zuletzt deshalb die niedrigste Stickstoff-Belastung.” Grundsätzlich unterstützt die SPD Initiativen wie Fahrradmodellquartiere und Radpremiumrouten, allerdings wollen die Sozialdemokraten mehr Gewicht auf die Reparatur des Vorhandenen legen: “Den Schwerpunkt legen wir darauf, das Alltagsnetz zu sanieren.” Sehr wichtig ist ihr der Fahrradtourismus insbesondere der Zugang zur und das Radeln entlang der Weser.

Verkehrwende ist ein Thema für die SPD, kommt aber merkwürdig kleinteilig rüber: “Um den Autoverkehr im Innenstadtbereich zu reduzieren, wollen wir prüfen, inwieweit in einem bestimmten Kernbereich der Innenstadt die Nutzung des ÖPNV generell kostenfrei ermöglicht werden kann. Dieses wäre ein Beitrag zur notwendigen Verkehrswende und hätte ebenfalls positive Auswirkungen auf den Tourismus.”

Die Linke benennt ebenfalls die Notwendigkeit einer Verkehrswende in ihrem Programm und stellt das Thema sogar in einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang: “Die kapitalistische Wachstumslogik zerstört die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten. Umweltpolitik ist für DIE LINKE deshalb ein zentraler Bestandteil der notwendigen sozial-ökologischen Wende unserer Gesellschaft. Wir verstehen es als unsere Aufgabe, vor Ort für eine Energiewende, den Schutz von natürlichen Ressourcen, eine ökologische Verkehrswende und eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaft einzutreten. Um der Klimakrise zu begegnen, müssen global und konkret vor Ort deutlich stärkere Maßnahmen ergriffen werden, als es der rot-grüne Senat in den vergangenen zwölf Jahren getan hat.”

Sie argumentieren, dass „noch immer (..) die Verkehrsplanung in erster Linie an Autos ausgerichtet (wird), während die schwächeren Verkehrsteilnehmer* innen an den Rand von Wegen und Straßen gedrängt werden.”

Ihre Schlussfolgerung: „Gegenwärtig geht der Anteil des Radverkehrs in Bremen zurück. Es gibt eine große Gruppe, die sich schlicht nicht traut, ihre Wege mit dem Rad zu absolvieren. Diese Verunsicherung kann durch echte, abgegrenzte und breite Radinfrastrukturen mit einer Spur pro Fahrtrichtung gelöst werden.”

Und sie fordern grundsätzlich eine bessere Fahrradinfrastruktur, auch die Radpremiumrouten machen für sie nur Sinn, wenn sie “die genannten Kriterien erfüllen und auf sinnvollen Strecken verlaufen”. Zusätzlich fordert die Partei grüne Ampelwellen auf Hauptfahrradrouten und ein umfassendes Fahrradverleihsystem.

Im AfD-Programm kommt das Wort Verkehrswende einmal vor, aber nur um selbige abzulehnen: “Die „Verkehrswende“ gefährdet den Industriestandort und spricht dem Bürger die Freiheit ab, über seine Mobilität selbst zu bestimmen.” Das Wort “Stau” erscheint einmal, die 50er Jahre Antwort ist, mehr Straßen zu bauen. Das Wort “Fahrrad” haben wir gar nicht gefunden.

Für Bündnis90/Die Grünen ist „Fahrradfahren (,,) Klimaschutz pur“. Und sie stellen die Förderung des Fahrradverkehrs ganz nach vorne. Das ist natürlich keine Überraschung.

Sie wollen die Finanzierung des Radverkehrs vervierfachen. Das Geld soll für Fußgänger- und Fahrradbrücken, mehr Fahrradmodellquartiere, Radpremiumrouten, die Sanierung der vorhandenen Radinfrastruktur und den Bau von neuen “Geschützten Radfahrstreifen” ausgegeben werden. Und sie fordern mehr Personal, um diese Forderungen auch umsetzen zu können.

Die Grünen haben viele Ideen. “Das sind mehr sichere Fahrradstellplätze (500 pro Jahr, R.G.), kleinere Fahrradgaragen in den Stadtteilen, sichere, holperfreie Fahrbahnen, gut geführte, gut markierte und abgesicherte Radwege, ein Fahrrad-Repair-Café, Lastenfahrrad-Verleih, Pumpstationen und Bike-Sharing. (…) Damit den Radfahrer*innen nicht die Energie ausgeht, brauchen wir mehr E-Bike-Ladestationen.”

Interessanterweise lehnen sie das neue Ampelschaltungsprogramm der CDU ab, das sei viel zu teuer. Sie setzen sich für ein viel ökonomischeres und FußgängerInnen-freundliches Instrument ein: “Ampeln sind leider teuer. Eine gute, billige und zeitsparende Maßnahme sind Zebrastreifen, davon brauchen wir wieder mehr in Bremen, auch in verkehrsberuhigten Zonen!“

Beim Thema Verkehrswende wissen die Grünen genau, was zu tun ist: „Wir GRÜNE wollen die Verkehrswende hin zu weniger Pkw mit den Bremer*innen zusammen gestalten und konsequent und verantwortlich umsetzen. Wir werden konsequent den Parkraum bewirtschaften und mehr Parkraum für Fahrradstellplätze und Mobilpunkte für das Carsharing zulasten des allgemeinen Kfz-Parkraums schaffen.“

Die FDP macht kein Hehl daraus, wo sie steht. Sie sieht Bremen als eine “moderne Autostadt” mit Autowerk, in der sich auch FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen bewegen dürfen: “Wir Freien Demokraten stehen dazu, dass Bremen und Bremerhaven Autostädte sind. Nicht nur die Infrastruktur ist auf Autos ausgerichtet, sondern mit dem Mercedes-Werk ist eine der größten Automobilfabriken der Welt in Bremen zu Hause. Wir wollen Bremen und Bremerhaven zu modernen Autostädten umgestalten, in denen sich auch Radfahrer und Fußgänger sicher bewegen können.

In seinem Sprachduktus erinnert das FDP-Programm an angelsächsische Veröffentlichungen. Verkehr wird stets mit Autoverkehr gleichgesetzt, frei fließender Verkehr ist folglich immer Autoverkehr. Aber sie haben einen kleinen Teil ihres Programms dem Fahrrad gewidmet, und diese Ausführungen sind bemerkenswert:

“Wir Freien Demokraten wollen den Fahrradverkehr in Bremen und Bremerhaven sicherer machen. Daher setzen wir uns dafür ein, das Konzept der klaren Trennung unterschiedlich starker Verkehrsteilnehmer konsequent zu verfolgen. Wenn Straßen saniert werden, sollen wo möglich separate Fahrradwege entstehen. Fahrradstraßen, die bei vielen Radfahrern zu einem Gefühl der Unsicherheit führen, werden so überflüssig.

Außerdem wollen wir in den Fußgängerzonen in Bremen und Bremerhaven, die breit genug sind, das Fahrradfahren mit der Maßgabe der gegenseitigen Rücksichtnahme als Test zunächst befristet freigeben.”

Und dann waren noch die “Bürger in Wut” bei Radio Bremen. Ihre Wut begründet sich in dem angeblichen Krieg, den Rot-Grün gegen das Auto führt. Ihre Verkehrspolitik heißt vor allem: weniger Staus durch grüne Wellen und weniger Tempolimits. Zum Radverkehr gibt es zwei Sätze: “Das Radwegenetz soll modernisiert und ausgebaut werden. Radfahrer brauchen im Interesse ihrer Sicherheit einen eigenen Fahrweg auf der Straße. Das Wort Verkehrswende haben wir nicht gefunden.

In der Buten un Binnen Sendung meinte der Spitzenkandidat, Hinrich Lührssen, eine Verkehrswende würde nur zum Verkehrschaos in Bremen und Bremerhaven führen. Wir meinen, er soll vielleicht mal ein paar Städte mit einem niedrigen Fahrradanteil besuchen , um dort das „Verkehrschaos“ live zu erleben.

So, hier habt Ihr sieben Parteien und ihre Programme, die sich neben anderen Parteien am 26. Mai 2019 in Bremen und Bremerhaven zur Wahl stellen. Auch der ADFC hat eine Analyse von fünf Parteiprogrammen vorgelegt und mit Ampelsymbolen bewertet.


Wahl-Umfrage vom 7. Mai 2019

Umfragen legen nahe, dass es höchstwahrscheinlich nur zwei realistische Möglichkeiten für eine Koalition nach der Wahl geben wird: Eine große Koalition von CDU und SPD oder eine Rot-Rot-Grüne Koalition von SPD, Linke und Bündnis90/Die Grünen. Letztgenannte Möglichkeit erscheint zurzeit am wahrscheinlichsten.

Wer wissen will, welche Partei Deiner/Ihrer Vorstellung am nächsten kommt:

Hier ist der Wahl-O-Mat für Bremen.

1 Kommentar

  1. Andreas Kuehn

    Die Berechnung der Strom-Kosten für 100 Kilometer ist bei einem Elektroauto oder einem Bio-hybrid als Trike für den urbanen Einsatz recht einfach, wenn der Verbrauch bekannt ist. Beim Nissan Leaf (E-Auto) liegt der Verbrauch etwa bei 15 bis 17 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. 15 Kilowattstunden kosten bei einem Strompreis von 29,6 Cent insgesamt 4,44 Euro.
    10 mal geringer sind die Stromkosten für meinen Bio-hybrid als Trike und Pedelec, also 44,4 Cent.
    (Der Verbrauch meines Trike als Pedelec und Stadtwagen beträgt ca. 1,5 kWh/100 km
    (entspricht dem Energieinhalt von 0,1 l Benzin) / 100 km).
    Dabei kombiniert der Elektroantrieb des Pedelecmotors die Muskelkraft des Fahrers für die urbane Mobilität. Der Besetzungsgrad des Fahrzeugs liegt dadurch bei 1,0 und ist damit nahezu gleichwertig dem heutigen Besetzungsgrad eines „Monster-PKW“ als SUV. Bei Antwort und Interesse schicke ich gerne Fotos meines Trikes

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