Der Sielwall ist endlich als Thema in der Politik angekommen. Hier rasen junge Männer mit überfrisierten Autos durch, das wird nun als Gefahr wahrgenommen. Jetzt sollen der Sielwall und alle vier Straßen, die auf das Sielwalleck münden, an den Wochenendnächten bis zu einer Länge von 80 Metern für den Autoverkehr gesperrt werden. Der Durchgangsverkehr soll raus, und das ist gut so. Aber für den Sielwall muss weiter gedacht werden, er braucht eine grundsätzliche Neugestaltung – für jeden Tag, nicht nur für das Wochenende.
Mitglieder des „Bündnis Verkehrswende“ haben hierzu neue Ideen entwickelt:
(siehe hierzu auch die Präsentation am Ende dieses Posts)
- Einrichtung einer Fahrradstraße mit Sperrung des Durchgangsverkehrs durch eine für Fahrräder passierbare Mittelbarriere (zwischen „Im Krummen Arm“ und „Körnerwall“), ein modaler, flexibler Filter mit einem versenkbaren Poller für Rettungsdienste, Müllfahrzeuge und notwendige LieferantInnen!!
- Rote Einfärbung der Fahrbahn (und Schild „Fahrradstraße“)
- 20 km/h für Kfz
- Überholverbot für Kfz
- Einmündungen am Osterdeich und Sielwalleck hochpflastern und mit 90°-Abbiegewinkel versehen
- Baumkulisse wiederherstellen
- Mehr Fahrradständer auf den jetzt als Parkplatz genutzten Flächen. Alle Parkplätze werden bewirtschaftet.
Keine polizeiliche Kontrolle notwendig, relativ wenige Baumaßnahmen und viel mehr Sicherheit für Fuß und Rad.
Lasst uns das etwas genauer anschauen:
Der Sielwall ist eine Wohnstraße, wird jedoch von Seiten der Verwaltung (Amt für Straßen und Verkehr) als Hauptverkehrsstraße klassifiziert. Weit mehr als 5.300 Kfz, darunter 265 LKW (s. VEP-Unterlagen von 2014 insbesondere „VEP 2025, Zwischenbericht zur Chancen- und Mängelanalyse, Anhang Kartenband Teil 1“, Zahlen von 2010) fahren täglich mit überhöhten Geschwindigkeiten durch den Sielwall. Eine Bedarfsampel auf Höhe Auwigstraße wird von den FahrerInnen regelmäßig bei Rot überfahren.
Zudem wird der Radweg zwischen „Im Krummen Arm“ und dem Sielwalleck (Ostseite Sielwall) von AutofahrerInnen widerrechtlich überparkt, womit der schmale Raum für Fuß und Rad immer kleiner wird, was zu Konflikten führt.
Der interaktive Unfallatlas des Statistischen Bundesamtes zeigt drei Unfallschwerpunkte mit Personenschaden und Kfz-Beteiligung auf dieser kurzen Straße. Wohl auch deswegen wurde der Sielwall zur Tempo-30-Straße erklärt, das hat jedoch an den oben beschriebenen Zuständen nichts verändert. Denn die Maßnahme wurde halbherzig umgesetzt und wird nicht kontrolliert .
Bremsklotz ASV, widersprüchlicher VEP
Das Amt für Straße und Verkehr (ASV) besteht jedoch noch auf der Klassifizierung des Sielwall als Hauptverkehrsstraße und verhindert damit jede grundsätzliche Veränderung der unbefriedigenden Situation. Dabei teilt der Verkehrsentwicklungsplan 2025 (VEP) dem Sielwall bei der Definition von funktionaler und stadträumlicher Verträglichkeit die schlechteste Stufe zu, der Straßenraum sei „nicht verträglich“ (VEP S. 51). Der VEP weist mit dieser Kategorie „nicht verträglich“ darauf hin, dass die Gestaltung des Sielwall viel zu sehr an den Bedürfnissen des Autoverkehrs orientiert ist, dass sich hier dringend etwas ändern muss.
Aber trotzdem bietet der Vorschlag im VEP (S.165, Maßnahme F.4) zur Umgestaltung des Sielwall keine zufriedenstellende Lösung. Hier wird vorgeschlagen, das Fahrrad auf der Fahrbahn zu führen, um den Platz für FußgängerInnen zu erweitern. Voraussetzung sei, das Parken auf der Fahrbahn auf der gesamten Länge des Sielwall zu unterbinden.
Eine Veränderung der Straßengestaltung für die Sicherheit der FahrradfahrerInnen bietet der VEP jedoch nicht, vergisst auch zu erwähnen, dass es legal auch heute schon keinerlei Parken auf der Fahrbahn des Sielwall gibt. Und bei 5.300 Kfz, davon 265 LKW pro Tag (in 2010) ist das Radeln auf der Fahrbahn im Mischverkehr nicht nur subjektiv sondern auch objektiv zu gefährlich.
Warum kann sich angeblich nichts verändern?
Da stellt sich die Frage, warum überhaupt der Sielwall eine Hauptverkehrsstraße sein soll oder muss. Handelt es sich um eine „gesamtstädtisch relevante Straße“ (VEP S. 50)? Brauchen wir den Sielwall zur Erschließung des Stadtteils oder als Durchgangsstraße zum Bahnhof und nach Schwachhausen? Oder ist diese Klassifizierung ein Relikt aus den 70er Jahren, als „viele Hauptverkehrsstraßen (…) durch die Bedürfnisse des Autoverkehrs geprägt“ wurden (VEP S. 50)? Der Hintergrund für diese Haltung des ASV kommt vielleicht aus der Tatsache, dass es in Bremen keinen Zirkulationsplan gibt, der den allgemeinen Durchgangsverkehr durch Bremen unterbindet.
Ein Zirkulationsplan kann ein technokratisches Instrument der Verwaltung zur Regelung der städtischen Mobilität oder ein politisches Projekt und Instrument zur Reduzierung von Kfz-Verkehr, CO2-Emissionen, Lärm, Unfällen und Dreck sein.
Die Stadt Gent hat einen solchen Plan entwickelt und umgesetzt, um den Durchgangsverkehr aus der inneren Stadt herauszuhalten. Zwei Jahre brauchte Gent zur Vorbereitung, an einem Wochenende wurde das Konzept umgesetzt!! Gent hat das natürlich auch mit einem Plan für das Parken verbunden. https://www.zeit.de/mobilitaet/2018-05/gent-nahverkehr-mobilitaet-nachhaltigkeit
Und wer sich traut (ist nicht schwer) Flämisch zu lesen: https://stad.gent/nl/mobiliteit-openbare-werken/mobiliteit/plannen-projecten-subsidies-cijfers-scholenwerking/mobiliteitsplan-circulatieplan-en-parkeerplan-gent
Wir müssen uns von autozentrierten Vorstellungen verabschieden
Natürlich können wir am Sielwall nicht darauf warten bis ein Zirkulationsplan steht. Wir müssen jetzt handeln. Aber wir müssen uns auch von alten Konzepten verabschieden, von Konzepten, die dem Autoverkehr immer wieder den Vorrang einräumen. Das Argument, der Sielwall sei eine Erschließungsstraße für O-Weg und Steintor, ist so eines. Erschlossen wird hier nur für den Autoverkehr, und es wird vergessen, dass auch und vor allem FußgängerInnen und FahrradfahrerInnen diese Straße nutzen, um zum Osterdeich, zur Sielwallfähre und zum Weserstadion zu kommen. An Wochenenden und wenn Werder spielt, ist das besonders deutlich zu sehen. Das so genannte Werder-Konzept für die Fußballtage ist aber nur am Autoverkehr orientiert – auch so ein alter Zopf, der die Verkehrswende behindert.
Es macht auch keinen Sinn, wenn sich VertreterInnen von Fuß- und Radinteressen über die Nutzung der Nebenanlage neben der Fahrbahn streiten, der eine den anderen dort weghaben will. Fuß und Rad brauchen mehr Platz aber nicht einer auf Kosten des anderen. Solidarität ist gefragt, nicht das Gegeneinander ankämpfen, sonst schaffen wir die Verkehrswende nie. Wenn jetzt ein Verkehrsträger zurückgestutzt werden muss, ist es das Auto und der LKW. Lasst uns den Auto-Durchgangsverkehr aus dem Sielwall entfernen – und zwar dauerhaft, nicht nur am Wochenende. Dann werden auch mehr FahrradfahrerInnen auf der Fahrbahn fahren, und die FußgängerInnen haben mehr Platz und Sicherheit.
Was für Schwachsinns-Ideen, es gibt auch Leute die hier Arbeiten müssen und auf das Auto angewiesen sind (Aussendienst).
Lieber Stefan Kracke, ich neige dazu, sachlich zu argumentieren. Schwachsinn würde ich Ihnen niemals vorwerfen, schon aus Respekt.
Ich habe nicht geschrieben, dass Sie nicht Auto fahren dürfen. Hier geht es um den Sielwall und die Unterbindung des Durchgangsverkehrs mit einem flexiblen Modalfilter. Was hat das mit Ihrem Außendienst-Auto zu tun? Überhaupt ist es interessant, wir führen die Debatte ja auch bei der Parkraumbewirtschaftung. Sie glauben nicht, wie viele Menschen plötzlich im Außendienst tätig sind und meinen, diese Arbeit auch nur mit einem Auto erledigen zu können. Was heißt denn Außendienst? Wie wird das definiert? Jeden Tag? Einmal in der Woche? Welche Entfernungen werden zurück gelegt? Und: hat sich das in Zeiten der Videokonferenzen nicht auch verringert, dieser notwendige Außendienst?
Also viele Fragen….
Es wäre vielen schon geholfen und es würde vollkommen ausreichen , würde das Parken nur für Anwohner erlaubt sein, denn es gibt Anwohner, die ihr Auto benötigen, um weite Wege zur Arbeit zurück zu legen oder weil Behinderungen vorliegen oder weil es alte Menschen gibt, die schweren Sachen…Einkäufe auf kurzem Wege zu Hause abliefern möchten…ebenso auch Jüngere mit Garten und Einkäufen. Zusätzliche Verkehrsbehinderung, damit Rasen nicht möglich ist…klare Kennzeichnung und nicht wie es aktuell ist. Durch die Wegnahme der Parkplätze im Sielwall fahren Anwohner bis zu 30 Minuten der Gegend rum, um einen Parkplatz zu finden – Ergebnis: höherer CO2-Ausstoß und dennoch parken Fremde in dieser Straße. Anwohnerparken/ Anwohnerstrassen und klare Kennzeichnungen und klares Durchgreifen funktioniert in jeder anderen Großstadt auch und es ist Frieden. Durch ein komplettes Autofreies Viertel fördert man die Partywütigkeit und die Lärmbelästigungen der Leute, da diese sich dann auf den Straßen noch zusätzlich aufhalten werden wie jetzt auch diese sich vermehrt auf den Fahrradbögen hinsetzen vor den Häusernder Anwohner
Liebe Sandra Coldewey, es geht in diesem Beitrag nicht vorrangig um das Thema Parken oder Anwohnerparken oder ähnliches. Sondern es geht darum, den Durchgangsverkehr aus dem Sielwall rauszuhalten. Ich verstehe Sie so, dass Sie damit durchaus einverstanden sind. Der Vorschlag hier ist, einen flexiblen modalen Filter einzurichten, um etwa Rettungsdienste und die Müllabfuhr durchzulassen, nicht aber beispielsweise die Autoposer, die im Augenblick sehr viel Ärger verursachen. Ich vermute, Sie regen sich über die Aufhebung des aufgesetzten Parkens zwischen “Im Krummen Arm” und Sielwalleck auf. Das ist das Ergebnis einer langen politischen Diskussion in Bremen, die das aufgesetzte Parken in Zukunft nicht mehr dulden wird. Am Sielwall kam noch hinzu, dass zwar aufgesetztes Parken erlaubt war, die Autos aber mit allen vier Rädern auf der Nebenanlage standen und damit den Radweg blockierten. Angeordnet war, zumindest mit zwei Rädern auf der Fahrbahn zu stehen, daran hat sich aber keiner gehalten. Die Stadt zeigt jetzt konsequentes Verhalten. Das haben sich die Parkenden selbst zuzuschreiben.
Liebe Sandra Coldewey, Sie sprechen hier ein spannendes Thema an: Wer benötigt ein Auto und demzufolge einen Parkplatz? Meinen Sie damit ein Privatauto oder ein Auto generell, wie es auch über Carsharing nutzbar wäre? Sie nennen hier ein paar Kriterien für das “notwendige” Auto z. B. den weiten Weg zur Arbeit, eine körperliche Behinderung, Alter und Einkaufen, generell Einkaufen. Ich könnte mir vorstellen, dass dieser Katalog an Kriterien noch erweiterbar wäre. Mich interessiert diese Frage schon lange, auch weil sie gerade jetzt so intensiv diskutiert wird. Und bei den von Ihnen genannten Kriterien stellen sich ein paar Nachfragen. Z.B.: Was ist ein langer Weg zur Arbeit, der nicht mit dem Rad oder dem ÖPNV machbar wäre? Bremen ist eine Fahrradstadt! Und warum muss ein alter Mensch oder ein junger Mensch außerhalb des Viertels einkaufen? Der Vorteil im Viertel ist ja gerade, dass ganz viele lebenswichtige Geschäfte gleich um die Ecke sind. Und für Einkäufe auf der grünen Wiese für besondere Dinge kann dann auch mal ein Carsharing Auto genutzt werden. Behinderungen: Da ist die Palette so groß, dass dieses Thema eigentlich nicht pauschal diskutiert werden kann. Ich erinnere etwa, dass es gegenüber von meinem Haus eine Zeitlang einen Parkplatz nur für eine behinderte Nachbarin gab. Offenbar alles möglich. Eine interessante Diskussion!! Vielen Dank für Ihren Beitrag.
Meiner Meinung nach sollte man nur nicht von seiner eigenen Situation ausgehen, sondern von allen Bewohnern. Das Ziel ist doch für alle das Gleiche: Fremde sollen hier nicht wild parken und durchfahren. Anwohner sollten parken können und zwar nur die und mit diesen gäbe es keine Raserei und wildes Parken – schließlich stört es ja jeden Anwohner – und im gleichen Zuge sollte man die Partywütigkeit Fremder, die Lärmbelästigungen, den Müll auf den Straßen nicht fördern
Auch hierzu noch eine Antwort: Ja, wir sollten von allen BewohnerInnen (des Sielwall und Umgebung) ausgehen. Und dazu sollten Sie wissen, dass knapp die Hälfte aller Haushalte im Viertel gar kein Auto besitzt. (Die TU Dresden macht alle fünf Jahre eine Mobilitätsuntersuchung in Bremen….) Also, nur eine Hälfte redet über Parkplätze, die andere Hälfte möchte mehr Platz für Fuß und Rad. Offenbar müssen wir den bestehenden Platz anders verteilen.
Richtig. Das Wohl für alle ist wichtig und nicht nur für eine Seite. Daher sind Diskussionen über komplett autofreie Straßen oder Städte aktuell noch sinnlos, denn es gibt immer Menschen, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind. Und ja, es gibt auch Berufe, bei denen man zu Kunden in ganz Deutschland in kürzester Zeit muss oder zu Uhrzeiten, zu denen es keine Verbindungen gibt, da nützt auch kein Fahrrad oder Carsharing bei den Preisen bei täglicher Nutzung. Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß….darüber braucht man hier nicht diskutieren. Man muss die Mitte nehmen…ein Kompromiss und das wäre als Beispiel eine Strasse gemacht für Anwohner, womit die Raser schon mal weg sind…die Wildparker auch und die Feierwütigen dennoch eine Strasse als Strasse sehen und nicht als Partyfläche und Fahrradständer nicht als Versammlungsorte, um Drinks und Essen zu sich zu nehmen.