Definiert Sich Politik Über Parkplätze?

von | Jul 13, 2017

Oder: wie eine erfolgreiche Politik ad absurdum geführt wird. Beispiel: Sielwall

Sielwall links 1980 ohne Radwege, Sielwall rechts 2017

Einige von Euch mögen sich darüber wundern, dass wir uns seit Wochen so hingebungsvoll dem scheinbar langweiligen Thema Parken widmen. „Was hat das jetzt mit Fahrradpolitik zu tun?“, mögt Ihr Euch fragen. Es gibt doch spannendere Dinge, z.B. das Modellquartier Neustadt, die Premiumroute zwischen Mahndorf und Bremen-Nord oder die geplante Fahrradbrücke neben der Wilhelm-Kaisen-Brücke.

Lasst Euch sagen: Parken hat einen hohen Stellenwert in der Politik. Der Erhalt der Parkplätze bestimmt viele Entscheidungen und Maßnahmen – leider auch gegen das Rad.

Das fängt schon damit an, dass trotz der gegenteiligen Absichten und Bekundungen des VEP (S. 169) und drei Jahre nach Inkrafttreten dieses wegweisenden Dokumentes das illegale Parken weiterhin und weitgehend stillschweigend geduldet wird. Das geht so weit, dass legal  geparkte Autos von den OrdnungshüterInnen abgeschleppt werden, wenn sie andere – illegal parkende – StaatsbürgerInnen in der Ausübung ihres rechtswidrigen Verhaltens behindern könnten.

Die Sorge um das Parken von Autos bestimmt offenbar das politische Handeln.

Hochpflasterung am Sielwall

Ganz deutlich wird dies auch am Beispiel einer bekannten Straße in Bremen, dem Sielwall. Der Sielwall ist eigentlich eine Wohnstraße, wird aber als Hauptstraße klassifiziert und dient als Zubringer zwischen dem viel befahrenen Osterdeich, einst eine Bundesstraße und den Wohn- und Einkaufsstraßen des so genannten Bremer Viertels. 5300 Autos, davon immerhin gut 250 LKWs über 2,8t, fahren jeden Tag durch diese mit 450 Metern recht kurze Tempo-30-Straße. http://www.bau.bremen.de/vep S. 44 und http://www.bauumwelt.bremen.de/verkehr/verkehrsentwicklungsplan/beschluesse_und_ergebnisse-8127  1. Kartenband zum Zwischenbericht Teil 1, Anhang 6.5

Straßen wie der Sielwall sind die Hauptkampffelder der Fahrradpolitik in Bremen. Es ist zwar weitgehend akzeptiert, dass ruhige Nebenstraßen mit Tempo 30 nicht unbedingt eine separierte Fahrradinfrastruktur benötigen. Bisher galt aber auch noch, dass auf viel befahrenen Straßen mit Tempo 50 der Mischverkehr von Rad und Auto eher nicht angesagt ist.

Der Sielwall fällt in ein Definitionsloch.

5.300 Kfz, LKWs und Motorräder pro Tag machen das Radeln auf der Fahrbahn ungemütlich, zumal die Realität zeigt, dass hier das Tempo-30-Gebot meist überschritten wird – kein Wunder bei dem graden, relativ breiten Design dieser Straße (s. das Foto oben rechts). Das Fehlverhalten wird noch amtlicherseits programmiert, weil die AutofahrerInnen, die aus den 30-Km-Zonen-Wohnstraßen auf den Sielwall einbiegen, zwar per Schild die Botschaft erhalten, die 30-Km-Zone sei jetzt beendet, es wird Ihnen aber nicht mitgeteilt, dass der Sielwall eine 30-Km-Straße ist.

Fröhliches Gas geben ist die Folge, der Amtsschimmel wiehert.

Parken am Sielwall

Nun zum Parken am Sielwall: Es gibt Parkbuchten, von denen einige mit Parkuhren versehen sind. Es gibt Halteverbote, und drei legale Parkplätze auf der Straße (gegenüber der Einmündung zur Prangenstraße). Ein Zwischending bildet rund ein Dutzend Parkplätze mit aufgesetztem Parken, also zwei Räder auf der Straße und zwei aufgesetzt, aber hübsch neben dem Radweg, der an den Fußweg angrenzt.

Soweit die Theorie am Sielwall.

Illegales Parken auf dem Radweg, RadlerInnen weichen auf Fussweg aus, Fotos: Beatrix Wupperman

Tatsächlich rutschen die Autos mehr und mehr auf die „Nebenanlage“, kein Reifen bleibt mehr auf der Fahrbahn, zwei davon stehen unschuldig auf dem Radweg. Ergebnis: RadlerInnen müssen auf den Fußweg ausweichen und geraten buchstäblich mit den FussgängerInnen „aneinander“.

Aber das führt nicht dazu, dass unsere OrdnungshüterInnen regelmäßig „Knöllchen“ an die ordnungswidrig parkenden Unschuldsengel verteilen. Es führt auch nicht dazu, diese Reihe von Parkplätzen schlicht abzuschaffen, zumal gerade in diesem Abschnitt viele AnwohnerInnen eigene Parkplätze auf ihren Grundstücken haben. Nein, seit Neuestem wird alleine mit dem Wohl der FußgängerInnen argumentiert.

Nicht die Autos sind im Wege sondern die Fahrradwege.

Wir fanden erstaunliche Formulierungen im VEP auf Seite 165: Unter der Überschrift „Maßnahmenfeld F: Straßenraumgestaltung, Barrierefreiheit“ heißt es: „Der Sielwall hat in weiten Teilen nur extrem schmale Geh- und Radwege. Damit die Fußgängerinnen und Fußgänger genug Raum erhalten können, muss der Radverkehr auf der Fahrbahn abgewickelt werden. Hierzu ist es notwendig, auf der gesamten Länge das Parken auf der Fahrbahn zu unterbinden.“

Vorsicht vor falschen Schlüssen!! Denn – wie wir oben gezeigt haben – wird auf dem Sielwall fast gar nicht auf der Straße geparkt. Was soll also unterbunden werden?

Erfolge durch Radinfrastruktur

Erinnern wir uns: Der Sielwall wurde Anfang der 80er Jahre neu gestaltet, der ADFC kämpfte für Radwege. Er erreichte, dass in diesen Jahren die Radinfrastruktur in Bremen auf heute rund 700 km Länge wuchs. Und der Anteil des Rades an den zurück gelegten Wegen in Bremen legte auf heute 25% zu. (Allerdings stagniert diese Zahl seit langem)

Fatale Fehlinterpretation einer Studie führte zum Paradigmenwechsel beim ADFC

Aber derselbe Fahrradclub ADFC vollzog in den 90er Jahren einen Paradigmenwechsel und begann das Fahren auf der Fahrbahn zu propagieren. Ursache war die fatale Fehlinterpretation einer Studie aus Hannover, das so genannte Schnüll-Gutachten. Dazu gibt es digital heute nur noch diese Pressemitteilung, das Gutachten an sich kennen die meisten offenbar gar nicht. Schnüll et al. konstatieren auf S. 236 u.a., dass an Einmündungen von Erschließungsstraßen, insbesondere an Knotenpunkten ohne Lichtsignalanlagen (Ampeln), die „Unfallgefährdung für geradeausfahrende Radfahrer bei Führung auf der Fahrbahn oder auf Radfahrstreifen erheblich geringer als bei Führung auf Radwegen mit Radfahrfurten“ sei.

Das Gutachten kann auch ganz anders gelesen werden

Aber sie sagen auch an selber Stelle: „Allerdings lässt sich aus dem Ergebnis nicht schließen, die Führung auf der Fahrbahn oder auf Radfahrstreifen sei generell sicherer als die auf Radwegen.“

Exakt dieser entscheidende Satz wird aber nie zitiert.

Die VerkehrsforscherInnen aus Hannover haben folgerichtig nicht die Abschaffung der Radwege empfohlen sondern diverse Verbesserungsvorschläge für die bestehende Radwegführung gemacht. Einer davon ist die Hochpflasterung der Radwege an Einmündungen: „Durch Teilaufpflasterungen in den Einmündungsbereichen, über die die Radwege hinweggeführt werden, kann die Unfallquote gegenüber der von Radfahrfurten deutlich reduziert werden.“ (S. 237).

Genau diese Hochpflasterungen haben wir heute am Sielwall an allen Einmündungen. Denn zum Glück für die RadlerInnen hat die Verwaltung (oder/und Politik) zunächst wohl nicht an das neue Paradigma des ADFC geglaubt, zumal das Geld für die Radwege bereits ausgegeben worden war. Aber das liebe Geld, die fehlenden – oder anders verwendeten Finanzen – führten dazu, dass über die Jahrzehnte die Erhaltung der Radwege vernachlässigt wurde. Und so konnte der ADFC mit Fug und Recht über die schlechten Bremer Radwege schimpfen.

Aber der Interessenverband nahm nicht etwa die Ratschläge des Schnüll-Gutachtens an, sondern erstritt sich höchstrichterlich eine Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht. Und nach der Abschaffung der Radwegebenutzungspflicht für „unzumutbare“ Radwege wurden die Rufe nach der Führung des Rades auf der Fahrbahn immer lauter. Schnüll et al. und ihre konstruktiven Vorschläge waren vergessen.

Die BremerInnen fahren gerne auf ihren Radwegen

Die Bremer FahrradfahrerInnen selbst hat das wenig beeindruckt. Laut VEP S. 68 fahren mehr als 96% der BremerInnen auf den baulichen Radwegen, auch ohne Benutzungspflicht. Auch auf dem Sielwall fahren die meisten trotz der teilweise beengten Verhältnisse auf Rad- und Fußweg und trotz angeordnetem Tempo 30 auf der Fahrbahn auch weiterhin auf den Radwegen.

Jetzt droht ihnen auf vielen Bremer Straßen der Verweis auf die Straße, es dräut der Rückfall in die 80er Jahre ohne Radwege, auch am Sielwall. Und dabei soll der Sielwall nicht verkehrsberuhigt werden, damit er sicherer für RadlerInnen wird. Und es geht auch nicht darum, die Anzahl der RadlerInnen zu erhöhen. Nein, FussgängerInnen und RadlerInnen werden gegen einander ausgespielt, und die Parkplätze bleiben erhalten, sie sind in Bremen immer noch unantastbar.

Kritik am VEP wird lauter

Aber zum Glück ist dieses Denken, das sich in den Empfehlungen des Bremer VEP ausdrückt, nämlich: Das Rad soll zurück auf die Straße, und Parkplätze bleiben erhalten, nicht das überall vorherrschende Denken in Bremen. Der VEP entstand in Mitarbeit mit dem ADFC, der verabschiedet sicher aber zum Glück gerade von seiner „Zurück-auf-die-Straße“-Vergangenheit.

Und innerhalb der Verkehrsbehörde wird offensichtlich an vielen Stellen auch anders gedacht und auch offiziell nach außen vertreten: In dem Europäischen Projekt PRESTO (Promoting Cycling for Everyone as a Daily Transport Mode)  ist die Stadt Bremen eine von fünf Städten. Ein Partner in PRESTO ist auch der ADFC. PRESTO hat 2010 Richtlinien entwickelt, eine davon beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Fuß und Rad. Und hier lesen wir auf S. 1 und 4:

“When space is restricted (…). sharing space between cyclists and pedestrians may be the best available option. The safety risk of mixing cyclists and pedestrians is much lower than mixing either with motorized vehicles (…). The first approach should be to try and free up space by reducing the claims of motorized traffic: reroute car traffic and take out a traffic lane; take out a parking lane”.

„Wenn der Platz begrenzt ist (…) ist die beste Möglichkeit, FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen zu mischen. Das Unfallrisiko des Mischens von Rad und Fuß ist viel geringer als das Mischen dieser Verkehrsträger mit dem motorisierten Verkehr. (…) Der erste Ansatz sollte allerdings sein, Platz zu gewinnen, indem dem motorisierten Verkehr Platz genommen wird: Autoverkehr umleiten und eine Fahrspur entwidmen, eine Parkspur aufgeben.“

Sielwall cycleway

Radweg am Sielwall, vor kurzem saniert, mit Hochpflasterung an Einmündung, Foto: Beatrix Wupperman

Und vor Ort, am Sielwall tun sich auch noch andere Dinge: Eine Rücksprache mit dem zuständigen Ortsamt zeigte, dass die örtliche Verwaltung mehr Ahnung vom Sielwall und den Wünschen der FahrradfahrerInnen hat als „der VEP“. Noch nach Erscheinen des VEP wurde ein Teil der Radwege saniert. Und die Vertreterin des Ortsamtes zeigte sich höchst irritiert über die Ausführungen im VEP. Doch die Situation des ungeahndeten Parkens auf den Radwegen macht ihnen auch Kopfschmerzen, hier, so das Ortsamt, gibt es bisher keine Lösung. Und, wie wir aus den im Internet erkennbaren Beschlüssen des zuständigen Beirates ersehen, beschäftigt der sich leider nicht damit. (Nachtrag Dezember 2019: Der Beirat Östliche Vorstadt hat den Sielwall jetzt wieder zum Thema gemacht. Der Beirat Mitte, der ebenfalls für den Sielwall zuständig ist, hat bereits eine – allerdings etwas fragwürdigen – Beschluss gefasst.)

Parkplätze dürfen keine heiligen Kühe bleiben

Das Schicksal der Bremer Radwege ist noch nicht geklärt. Werden sie vernichtet oder ausgebaut? Wer gewinnt den Kampf in der Verwaltung?

Solange die Parkplätze wie eine heilige Kuh geschützt werden, wird es keine vernünftige Lösung für FussgängerInnen und FahrradfahrerInnen geben. Erst, wenn sich die Prioritäten ändern, wenn die Sicherheit und Platzansprüche von FussgängerInnen und FahrradfahrerInnen endlich wichtiger sind als der Platz des geparkten Autos, werden wir verträgliche Lösungen bekommen. Und dann können wir die fahrradfeindlichen Anteile des VEP auch in die Tonne treten.

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18 Kommentare

  1. Carsten v. Wissel

    Danke für den schönen Text. Manchmal macht es Spass, so gründliche und lange Texte zu Themen wie diesen zu lesen. In diesem Fall fördert erst die Gründlichkeit des Zugangs die aus meiner Sicht brementypischen Vollzugs- und Thematisierungsdefizite zutage. Wenn sie dann da so vor einem liegen, sieht das nicht schön aus.
    Die Fragestellung, wie es dazu kommen kann, dass eine Handvolle Parkplätze zu einem stadtentwicklungspolitischen Hindernis werden, finde ich spannend, sie weist über Bremen hinaus und hat elementaren Charakter in Bezug darauf, wie wir mit knappem Raum in Städten umgehen wollen. Wollen wir wirklich, dass soziale Aktivität behindert wird, damit man da Autos abstellen kann?

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    • Beatrix Wupperman

      Lieber Carsten, Danke für das Lob! Im Grunde geht es uns natürlich um die Frage, warum wir genau das zulassen, was Du/Sie in dem letzten Satz sagst. Die Prioritäten werden immer noch falsch gesetzt, Bremen tut sich sehr schwer damit, den Autoverkehr nicht für wichtiger zu halten als den Umweltverbund. Und Anwohnerparken wird gerne mit der Begründung abgelehnt, es könnten nicht genug Parkplätze für die Anwohner garantiert werden. Meine Frage ist dann immer: Wie messen wir „genug“? Am Ende ist es eine politische Entscheidung, was wir mit dem öffentlichen Raum machen, wie wir ihn nutzen (lassen). Noch wird viel zu viel Rücksicht auf die AutobesitzerInnen genommen bis hin zum geduldeten illegalen Parken. Wollen wir eine Verkehrswende, dann muss sich das umdrehen.

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  2. Karsten

    Ich verstehe den Tenor des Artikels nicht so ganz:
    Dass die Parkplätze ein großes Thema sind ist mit schon klar. Aber wenn ich die Situation für den Radverkehr verbessern will, ist es doch vollkommen unabhängig von der angestrebten Radfahrführung (separat oder Mischverkehr) hilfreich, die Anzahl der parkenden Autos zu reduzieren, oder sehe ich da was falsch?

    „Es ist zwar weitgehend akzeptiert, dass ruhige Nebenstraßen mit Tempo 30 nicht unbedingt eine separierte Fahrradinfrastruktur benötigen. Bisher galt aber auch noch, dass auf viel befahrenen Straßen mit Tempo 50 der Mischverkehr von Rad und Auto eher nicht angesagt ist.“
    Sehr schöner Satz! Ich glaube nämlich, die es die immer wieder herbeigeschriebene Spaltung zwischen Mischverkehr- und Separationsbefürwortern so gar nicht gibt.

    „Straßen wie der Sielwall sind die Hauptkampffelder der Fahrradpolitik in Bremen.“ Unnötig aufpuschende Rhetorik. Es wäre doch schön, wenn sich keiner, der die Bedingungen für mehr Radverkehr verbessern will, im Kampf gegen andere sieht, die sich ebenfalls für Radverkehr stark machen.

    Verstehe ich den vorliegenden Blog-Eintrag richtig, dass man sich einen Erhalt der vorhandenen Radverkehrsinfrastruktur auf dem Sielwall wünscht und das (aufgesetzte) Parken auf den Radwegen gerne unterbinden würde?

    Ich habe nichts gegen gut gemachte separate Infrastruktur (ERA oder besser!), aber hier muss ich vehemet widersprechen: selbst wenn man sich die parkenden Autos wegdenkt, sind die Rad- und Gehwege hier tatsächlich viel zu schmal. In diesem Blog werden anscheinend Trends wie Pedelecs, Lastenräder und Fahrradanhänger, die zu mehr Platzbedarf und Überholvorgängen führen, systematisch unterschätzt. Das kann man auf den Radwegen am Sielwall vergessen und das ist auch nicht schön für die Fußgänger.

    „Wenn der Platz begrenzt ist (…) ist die beste Möglichkeit, FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen zu mischen.“ Wir reden immer davon, dass wir in Bremen gerne eine Steigerung des Anteils des Radverkehrs am Modal Split auf mehr als die gegenwärtigen 25 % erreichen würden. Mit dieser fragwürden Strategie von Presto ist das m. E. nicht zu erreichen!

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    • Beatrix Wupperman

      Lieber Karsten, Danke für Deinen Kommentar. Was wir nicht gemacht haben, ist reinzuschreiben, wie wir uns den Sielwall wünschen. Möglicherweise würde das viele Deiner Einwände gegen diesen Post in Befürwortung verwandeln.

      Aber von oben weg:
      Ja, es ist angesagt und hilfreich, die Parkplätze zu reduzieren, möglichst begleitet von einer ziel(Verkehrswende)orentierten Parkraumbewirtschaftung, nicht so ein Mischsalat wie am Sielwall.
      Und nein, es gibt durchaus die Spaltung zwischen BefürworterInnen von Mischverkehr generell und VerkehrsexpertInnen, die die Separierung von Motor und Rad grundsätzlich befürworten. Aber der Einfluss der „Vehicular Cyclists“ auf die Bremische Politik wird geringer, insbesondere weil der ADFC jetzt langsam seine Richtung wechselt.

      Die Rhetorik: ich versuche, hier die Realität zu beschreiben. Wir können auch Konfliktfelder schreiben, wäre das besser?

      Was will der Post: Erhalt der Radinfrastruktur und Ahndung des illegalen Parkens i.e. Unterbinden des illegalen Parkens auf Radwegen. Grundsätzlich ja, aber es gibt auch andere Möglichkeiten, den Sielwall mal gründlicher anzugehen, auch um die hohe Zahl des Durchgangsverkehrs zu vermindern.

      z.B. die Straße zur Einbahnstraße machen und eine Autospur für den Radverkehr umzuwidmen. Am besten hochpflastern, damit die „Lümmel“ hinterm Lenkrad hier keine Überholspur draus machen. Jedenfalls reicht es nicht, nur ein 30 kmh Schild aufzustellen, ein paar Piktogramme auf die Straße zu pinseln, aber sonst nichts zu tun, was das Fahrradfahren angenehmer machen könnte. Wie gesagt, die „Lümmel“.
      Und ja natürlich haben wir Lastenräder etc. im Kopfe, die würden sich über eine hochgepflasterte Spur sehr freuen. Wie gesagt, das hatten wir bisher nicht geschrieben, wir wollen ja auch ein bisschen die Diskussion in Gang kriegen.

      PRESTO: Das haben wir zitiert, um zu zeigen, dass es in der Behörde einige wertvolle KollegInnen gibt, die nicht nur die Fahrbahn-bezogene Führung des Radverkehrs super finden.

      Also: Der Bremer Erfolg bei der Radquote kam nicht, weil wir Fahrradstraßen gebaut haben sondern weil Radwege angelegt wurden. Dass die heute saniert, verbreitert usw. werden müssen, ist klar. Wenn Mischverkehr, dann bitte so, wie wir es z.B. in unseren Posts zu den Fahrradstraßen geschrieben haben. Und wir brauchen eine konsequente Parkraumbewirtschaftung, um den öffentlichen Raum wieder für alle MitbürgerInnen nutzbar zu machen, den Autoverkehr zu reduzieren etc. Darauf werden wir in einem weiteren Post noch einmal etwas genereller eingehen.

      Soweit erst einmal, herzlichen Dank für Deine ausführliche und immer wieder kompetente Kommentierung.

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    • Ulrich Lamm

      „Wenn der Platz begrenzt ist (…) ist die beste Möglichkeit, FahrradfahrerInnen und FußgängerInnen zu mischen.“
      Nein, nein, nein!
      a) Das Risiko an Kreuzungen und Grundstücksausfahrten ist bei Kombiwegen noch größer als bei Radwegen neben Gehwegen, weil Radler auf einem Kombiweg und jegliche Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer) aus den Einmündungen sich nicht rechtzeitig sehen.
      b) Das Fahrrad als leises und schnelles Fahrzeug ist ein Segen für die Anwohner, aber oft ein Schrecken für Fußgänger.

      Auch da, wo der Platz neben der Fahrbahn begrenzt ist, muss man sich als Fußgänger ohne Aufmerksamkeit auf irgendwelchen rollenden Verkehr bewegen oder in anderer Weise aufhalten können.

      Gehwegradeln ist genauso rücksichtslos wie autofahren.

      In vielen Straßen, auch etlichen mit Tempo 50 (z. B. Schwachhauser Ring in Richtung Bürgerpark, Sielwall und Dobben, Lüneburger- und Sankt-Jürgen-Straße) hat man auf der Fahrbahn mehr als auf den meisten Nebenanlagen die Möglichkeit, gleichermaßen sicher, schnell und ein guter Mensch zu sein.

      Gruß
      Ulrich

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  3. Ulrich Lamm

    Einen Vortrag mit ähnlichen Befunden von einem der Autoren des Schnüll-Gutachtens gab es auf dem Velo-City-Kongress 1980 in Bremen, also im Jahr nach Gründung des ADFC am Ort der Gründung des ADFC.

    Es gab sowohl vor als auch nach Erstellung und Veröffentlichung des Gutachtens vielfache Kontakte zwischen den Autoren und dem ADFC.
    Hätten die Autoren die Reaktion des ADFC als Fehlinterpretation betrachtet, so hätten sie sich dahingehend geäußert. Haben sie aber nicht.
    Ganz im Gegenteil, zumindest ein Teil der Autoren gehört zu denen, die entsetzt sind, dass die Richtungsumkehr durch Stork und Koopmann den Radverkehr in Deutschland um dreißig oder mehr Jahre zurückzuwerfen droht.

    Die Radweggläubigen fehlinterpretieren den Schlusssatz, wenn sie meinen, er bedeute, Radwege könnten insgesamt doch sicherer sein.
    Richtig ist:
    Das Risiko von Radwegen ist großenteils das Risiko an Knoten, von der großen Kreuzung bis zur kleinen Grundstücksausfahrt.
    Wo die Knotenprobleme gegenüber anderen Problemen in den Hintergrund treten, können Radwege die Sicherheit erhöhen.

    Gruß
    Ulrich

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    • Katja Leyendecker

      Ulrich, was Du machst ist ein rein ideologisches herangehen. Du bist der, der Glauben benutzt. Du gehst nur von Dir selbst aus. Denk bitte auch mal aus der Sicht der anderen. Und nicht nur an Sicherheit an Knotenpunkte, sondern an die Sichheirt von Gesamtstrecken zum Beispiel.

      Denn. Auch die Schnüllstudie besagt eben nicht, dass Radwege gefährlich sind (was ja das Ding zu sein scheint, was Dich persönlich zu tiefst beschäftigt und aufwühlt, was Du zu beweisen gesehen willst, komme was wolle – halt ideologisch). Auch diese Studie unterliegt mehreren Randbedingungen. Ich hatte ja einige schon öffentlich vorgetragen (hier nochmal im Anhang https://katsdekker.wordpress.com/2017/04/04/vortrag-adfc-bremen-akv/)

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    • Beatrix Wupperman

      Lieber Ulrich,

      ist das Protokoll der Euro-Velo-City-Konferenz von 1980 irgendwo einzusehen? Das Gutachten kam doch erst 1992 raus, wie kann da jemand von der Schnüll-Gruppe schon 1980 „ähnliche Befunde“ präsentieren? Welcher Autor war denn das? Und warum hat der Bremer ADFC in den 80er Jahren dann so viele Radwege durchgesetzt? Wo doch diese Erkenntnisse über die „Gefahren“ des Radweges schon 1980 bekannt waren?

      Und wer von den Autoren des Gutachtens ist denn nun „entsetzt“ darüber, dass Burkhard Stork und Ludger Koopmann die Richtung ändern? Bitte Namen nennen und nicht so verschlüsselt hier argumentieren.

      Ja und genau, das Gutachten hatte damals gefordert, die Probleme der Knotenpunkte an Radwegen (z.B. durch Hochpflastern an Einmündungen) zu lösen. Es steht nicht die Forderung drin, die RadlerInnen durchweg auf die Fahrbahn zu schicken, weil die angeblich sicherer ist als der Radweg. Sondern es steht das drin, was ich in meinem Beitrag zitiert habe.

      Dein Problem scheint mir zu sein, dass Du die Ergebnisse des Schnüll-Gutachtens nur vom Hören-Sagen kennst bzw. Dich auf die Pressemitteilung des ECF stützt. Lies das Gutachten doch mal von vorne bis hinten…..

      Nichts für ungut
      Beatrix

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  4. Karsten

    Angenommen, man kann die Zahl der parkenden Autos am Sielwall reduzieren (darum geht es in diesem Blog-Artikel doch)

    @Katja: welche Form von Radverkehrsführung schlägst Du dann dort vor?

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  5. Beatrix Wupperman

    Lieber Karsten,
    der Post ist vielschichtig. Die Hauptfrage ist nicht, wie ich Parkplätze reduzieren kann. Sondern: Warum wird nichts geändert, warum werden generell (s. VEP Empfehlung) FahrradfahrerInnen auf die Fahrbahn geschickt, nur um ein Dutzend Parkplätze in ihrer (jetzt illegalen Nutzung) zu erhalten bzw. die illegale Nutzung zu legalisieren? Der VEP Text ist irreführend: Sämtliches Parken auf der Fahrbahn soll unterbunden werden. – Aber: Es gibt nur drei Parkplätze auf der Fahrbahn, die vor dem Restaurant Lei. Der Rest sitzt in Parkbuchten, und nur ein knappes Dutzend Autos sollte eigentlich aufgesetzt parken, parkt aber tatsächlich vollständig auf „der Nebenanlage“. Warum müssen die Fahrradfahrer laut VEP denn nun auf die Straße? Wegen der drei Parkplätze vorm Lei? Oder weil die Behörden (Stadtamt, Verkehrswacht, Polizei, wer ist denn nun zuständig??) zu „faul“ („Wir haben keine Kapazitäten“) sind, die Falschparker an ihren Ohren zu ziehen?

    Und was sagst Du denn nun zu meinem Vorschlag, den Sielwall zur Einbahnstraße zu machen, eine Autospur zur Radspur zu machen? Dann können alle Autos dort bleiben wo sie sind – außer den dreien vor dem Lei.

    Antworten
    • Karsten

      also der Sielwall ist zur Diskussion tatsächlich ein gut gewähltes Beispiel, weil es eben nicht eindeutig für Mischverkehr (reine Wohnstraße) spricht oder klar für Separation (große Hauptstraße).

      Der gegenwärtige Radweg ist aus meiner Sicht schon allein aufgrund seiner geringen Breite nicht adequat nutzbar und vor allem nicht zukunftsfähig. Und so wie ich das Straßenprofil in Erinnerung habe, kann man die baulichen Radwege wohl auf kaum ausreichend breit machen.

      Das spricht aus meiner Sicht schon mal für eine Führung des Radverkehrs auf der Fahrbahn. Mischverkehr kann ich mir vorstellen, wobei es sein kann, dass ich die Verkehrsbelastung unterschätze, weil ich dort nur zur verkehrsarmen Zeiten langfahre…

      Einbahnstraße, um den Kfz-Verkehr etwas verringern, kann ich mir gut vorstellen. Vielleicht ist dann auch schon von alleine Mischverkehr besser möglich, ggf. in Form einer Fahrradstraße.

      Von Schutzstreifen würde ich gar nichts halten. Radfahrstreifen halte ich prinzipiell für gut, wenn sie breit genug sind. In dem Fall bräuchte man dann ja zwei. Das dürfte aber wahrscheinlich passen, wenn dann noch ein Fahrstreifen für die Kfz in der Mitte übrig bleibt.

      Mit „separaten“ Radfahrstreifen (oder oben tauchte mal der Vorschlag hochgepflasterter Radfahrstreifen auf) habe ich keine Erfahrung. Ich denke, so ein Streifen müsste breit genug sein, dass sich z. B. auch zwei Räder mit Anhänger überholen können – vor allem, wenn sie baulich den Streifen nicht mehr verlassen können. Und wenn man den Streifen so breit macht, braucht man eigentlich gar keine bauliche Separierung mehr, weil die Abstände für ein gutes subjektives Gefühl groß genug sind.

      Antworten
      • Beatrix Wupperman

        Lieber Karsten, der Radweg insbesondere kurz vorm Sielwalleck ist in der Tat viel zu schmal….wenn dann auch noch – wie von uns beschrieben – die Autos darauf parken….

        Und bei der Hochpflasterung habe ich nicht von einem Radfahrstreifen gesprochen:
        Eine von den zwei Autospuren in voller Breite wird dem Fahrradverkehr zugeschlagen und hochgepflastert. Das Auto fährt (Einbahnstraße) auf der verbleibenden Spur. Kopenhagen macht damit gute Erfahrungen.

        Antworten
  6. Thomas

    Der Artikel bringt es auf den Punkt. An vielen Stellen hat die Maximierung der Parkplätze in Bremen Vorrang vor der Sicherheit des Radverkehrs. Ein anderes übles Beispiel, das auch zeigt, wie sich die Bedingungen für den Radverkehr an manchen Stellen sogar verschlechtern, ist die Bismarckstraße. Von der Graf-Moltke-Straße stadteinwärts erfreut man sich eines Radwegs in – für Bremen seltener – Asphaltqualität, deutlich über 1,50 m breit. Doch schon nach wenigen zig Metern ist Schluss damit. Der Radweg wurde zur Hälfte dem Radverkehr weggenommen, und auf der linken Hälfte parken jetzt aufgesetzt Autos. Der schmale Rest-Radweg liegt voll im Aufklappbereich der Türen. Viele Autos parken über den weißen Strich hinweg und den Radlern bleibt nur das Ausweichen auf den schmalen Fußweg. Das ist „radfahr-freundliche“ Politik à la Bremen!

    Antworten
    • Beatrix Wupperman

      Lieber Thomas, vielen Dank für den Kommentar. Zur Bismarck ist noch mehr zu sagen, es kommt – wenn es nach dem VEP geht – noch schlimmer.

      Es wird folgendes auf S. 165 vorgeschlagen: „Die Bismarckstraße wird zwischen Dobbenweg und Graf- Moltke-Straße neu geordnet. Der Straßenzug hat bislang nur sehr schmale Radwege. Diese werden künftig beparkt und derRadverkehr wird auf einem Schutzstreifen in der Fahrbahn abgewickelt.“

      D.h. dann auf 1,25 m mit gestrichelter Linie radeln. Rechts die Fahrertürer der parkenden Autos, links der fahrende Verkehr mit 23.600 Fahrzeugen pro Tag. Unglaublich!

      Antworten
  7. Karsten

    „Eine von den zwei Autospuren in voller Breite wird dem Fahrradverkehr zugeschlagen und hochgepflastert.“
    kurze Verständnisfrage:
    bekommt dann jede Fahrrad-Fahrtrichtung eine halbe Fahrstreifenbreite? Oder gibt es einmal eine Fahrstreifenbreite und diese müssen sich Radfahrer in beide Fahrtrichtungen teilen?

    Antworten
    • Beatrix Wupperman

      Ja Karsten, das ist in der Tat eine knifflige Frage. Wir müssten da mal messem gehen: Wie breit kann die Radspur sein? Wie ist die Norm für eine Autospur bei gebotenen 30km/h? Und was bleibt dann fürs Rad? Können wir die Radspur dann für beide Richtungen freigeben? Nicht zu vergessen: Der Radweg auf der Seite Körnerwall ist in Teilen gerade saniert und verbreitert worden. Den nun aufzugeben, wäre Geldverschwendung. Mein Petitum wäre, die ehemalige Autospur für den Radverkehr, der aus der Richtung Osterdeich kommt, freizugeben. Die andere Richtung nutzt den sanierten Radweg.

      Aber, um das gleich vorwegzunehmen: Eine Fahrradstraße würde ich aus dem Sielwall, auch wenn er Einbahnstraße ist, nicht machen. Die Situation in der Parkallee (vom Stern Richtung Stadt) und der Rembertistraße zeigt, wie unhaltbar das für die FahrradfahrerInnen ist. Keine Strecke für 11jährige Kinder.

      Deswegen mein Vorschlag: Einbahnstraße, aber klare Trennung von Rad und Auto. Über die von Dir ganz richtig angefragten Details müssen wir reden.

      Antworten
  8. Karsten

    „Können wir die Radspur dann für beide Richtungen freigeben?“ Davon halte ich gar nichts! Mit der Freigabe von linken Radwegen hat man in Bremen den Radfahrern zunächst einen Gefallen getan (weil sie Umwege vermeiden), aber mittlerweile kann man das eigentlich nur noch als Bärendienst betrachten, weil es saugefährlich ist und die Problme mit Zunahme des Radverkehrs meiner Ansicht nach überproportional zunehmen.

    „Mein Petitum wäre, die ehemalige Autospur für den Radverkehr, der aus der Richtung Osterdeich kommt, freizugeben. Die andere Richtung nutzt den sanierten Radweg.“ Ich habe den sanierten Radweg nicht gut genug vor Augen (ich fahre typischerweise in die andere Richtung…), daher kann ich zu dessen Qualität nichts sagen. Wenn eine Straße komplett neu geplant wird, wäre es aus meiner Sicht schön, wenn die Radverkehrsführung einheitlich in beiden Richtungen gestaltet ist, aber bei Verbesserungen im Bestand kommt man natürlich um Kompromisse nicht herum.

    Antworten
    • Beatrix Wupperman

      Ja, ich stimme Dir zu: Das Radeln auf der falschen Seite bzw. im Gegenverkehr geht gar nicht. In Kopenhagen habe ich das einmal versucht, aber ganz schnell wieder aufgegeben. Es war einfach zu voll, ich kam gar nicht voran. Und in Bremen fädeln wir uns immer so durch, das Bewusstsein für das Risiko existiert einfach nicht.

      Und der Vorschlag von mir ist natürlich ein Kompromiss, schon aus finanziellen Gründen.

      Antworten

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  1. Up against an old tale – ethnographic impressions from Bremen – katsdekker - […] had to be maintained in order to remain “right” (read the fuller story published on bremenize here). Some increasingly…

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