Angewiesen auf das Auto: Wer ist es und welche Ansprüche ergeben sich daraus?
Die Parksituation in Bremen ist an vielen Stellen ein Graus: Viele Autofahrer*innen stellen ihre Fahrzeuge an den unmöglichsten Stellen ab – ganz egal, ob dadurch andere Verkehrsteilnehmer*innen gefährdet werden oder ob sie den Verkehrsfluss beeinträchtigen. In Diskussionen darüber wird oft das Argument “Aber ich bin angewiesen auf mein Fahrzeug – das muss ja irgendwo stehen!” verwendet. Doch wer ist das wirklich?
Bei der Antwort auf diese Frage unterscheide ich zwischen den Menschen, die glauben, sie seien auf ein Fahrzeug angewiesen und jenen, die wirklich einen rechtlichen Anspruch auf Sonderregelungen beim Parken haben.
Wer ist rechtlich gesehen auf ein Auto angewiesen?
Stand Oktober 2022 gibt es keine verbindliche Definition eines Personenkreises, der zwingend ein eigenes Auto besitzen muss. Es gibt allerdings Sonderregelungen, wie beispielsweise für Personen mit einem Behindertenparkausweis oder für bestimmte Berufsgruppen, aus denen sich ableiten lässt, dass diese Personen auf ihr Fahrzeug angewiesen sind.
Personen mit juristischem Anspruch auf ein Auto
Im Folgenden stelle ich Personengruppen vor, die unter Umständen einen Rechtsanspruch auf ein Fahrzeug und somit auch Parkraum haben können.
1. Ausnahme: Personen mit einer Behinderung
Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung haben, sofern sie die folgenden Voraussetzungen gemäß § 3 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung erfüllen, Anspruch auf eine Kraftfahrzeughilfe und somit auf ein Fahrzeug:
- eine Person ist aufgrund einer Behinderung auf die Nutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen, um die Wege zwischen Wohnort und Lern-, Ausbildungs- oder Arbeitsort zurückzulegen und
- die Person ist zudem in der Lage ein Kraftfahrzeug zu führen
- diese Person arbeitet in Heimarbeit und benötigt das Kraftfahrzeug für die Arbeit (beispielsweise, um Waren zu holen oder liefern)
Daraus leitet sich ab, dass diese Menschen rechtlich gesehen auf ihr Auto angewiesen sind.
Sonderregelungen durch Parkerleichterungen
Durch die Überarbeitung der Parkerleichterungen im Jahre 2009 können Personen mit Behinderung in der Stadt Bremen einen Ausweis für die Inanspruchnahme von Sonderregelungen beantragen. So dürfen sie beispielsweise (sofern sich nicht in der Nähe eine andere Parkmöglichkeit befindet):
- bis zu drei Stunden im eingeschränkten Haltverbot und auf Anwohnerparkplätzen parken
- die zugelassene Parkdauer im Zonenhaltverbot überschreiten
- in Fußgänger- und Ladezonen während der Ladezeit parken
- in verkehrsberuhigten Zonen auch außerhalb gekennzeichneter Flächen parken (sofern andere oder der Verkehr dadurch nicht beeinträchtigt werden)
Zudem dürfen Sie gebührenfrei und ohne Zeitbegrenzung parken, auch wenn Parkscheinautomaten oder -uhren vorhanden sind.
2. Ausnahme: Hebammen und ambulante Pflegedienste mit Ausnahmegenehmigung
Auch ambulante Pflegedienste und Hebammen können einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen. Diese berechtigt beispielsweise dazu, in Zonenhaltverboten, Anwohnerparkgebieten und im eingeschränkten Haltverbot zu parken.
Achtung: Berufsbetreuer*innen haben hingegen keinen Anspruch auf einen Parkausweis zur Parkerleichterung. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main sei die Nutzung von Parkuhren und ein gewisser Fußweg zumutbar.
3. Ausnahme: Handwerker*innen mit Ausnahmegenehmigung
In Bremen dürfen Handwerker*innen bestimmter Gewerke und handwerksähnlicher Gewerbe einen Antrag auf Parkerleichterung stellen. Dazu gehören beispielsweise Dachdecker*innen, Elektriker*innen, Gärtner*innen, Schornsteinfeger*innen und Klempner*innen. Mit dieser Sondergenehmigung dürfen Handwerker*innen unter anderem im eingeschränkten Haltverbot oder in verkehrsberuhigten Bereichen parken.
4. Ausnahme: Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Co.
Gemäß § 35 Straßenverkehrs-Ordnung sind viele Behörden von den Regelungen der StVO befreit, wenn dies zur Erfüllung Ihrer hoheitlichen Aufgaben erforderlich ist.
Personen, die glauben, auf ein Auto angewiesen zu sein
Die zweite Gruppe an Personen ist der Auffassung, aus persönlichen Befindlichkeiten auf ein Auto angewiesen zu sein, und ist deshalb davon überzeugt, einen Anspruch auf einen Parkplatz zu haben.
Die Gründe hierfür sind vielfältig: den Arbeitsweg bestreiten, Kinder zu Vereinen fahren oder den Einkauf bewältigen. Allerdings begründet sich hieraus in der Regel kein Rechtsanspruch. Wer in ein hochverdichtetes Wohngebiet zieht, muss sich bewusst sein, dass dort Parkraummangel herrscht.
Manchmal wünschte ich mir ein Modell bzw. Parkregelungen wie in Amsterdam. Dort sind alle Parkplätze kostenpflichtig – egal ob Besucher*innen oder Anwohner*innen. Allerdings können Parkgenehmigungen erworben werden. Die eingenommenen Parkgebühren gehen in Mobilitätsfonds der Stadt Amsterdam und ihrer Außenbezirke, das Geld wird im Wesentlichen für nachhaltige Verkehrsträger wie Fuß, Fahrrad und ÖPNV verwendet.
Problem: Falschparken ist in Bremen an der Tagesordnung
Da in Bremen, vor allem in den Wohnvierteln, kostenlose Parkplätze knapp sind, setzen viele Autofahrer*innen ihren für legitim gehaltenen Anspruch durch, indem sie auf Bürgersteigen parken. Dieses aufgesetzte Parken wird seit Jahrzehnten geduldet, obwohl es illegal ist. Mitunter werden Autos sogar auf beiden Seiten der Straße geparkt. Aus verschiedenen Gründen stören sich viele Anwohner*innen am aufgesetzten Parken:
– kein Platz für Rettungsfahrzeuge auf den Straßen
– Fußgänger*innen haben auf den Bürgersteigen keinen Platz mehr
– diejenigen, die mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Rollator unterwegs sind, müssen, da sie keinen Platz auf dem Bürgersteig haben, auf die Straße ausweichen
– Personen mit Anspruch auf Parkerleichterungen finden keine Parkplätze
Das Problem lösen auch die Regelungen der Straßenverkehrsordnung nicht, solange sie nicht umgesetzt und gegen Falschparker*innen vorgegangen wird. Ein regelmäßiges Verteilen von Strafzetteln mit Bußgeldern oder konsequentes Abschleppen würde vielleicht einige Autofahrer*innen aufwachen lassen.
Können Falschparker*innen sich gegen Bußgelder wehren?
Werden Falschparker*innen doch mal erwischt, können sie grundsätzlich gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen – doch die Regelungen der Straßenverkehrsordnung sind eindeutig und Personen ohne die oben aufgeführten Parkerleichterungen verstoßen gegen geltendes Recht. Wie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen belegt, hilft es da auch nicht, auf ein angebliches Gewohnheitsrecht zu pochen.
Können Bewohner*innen gegen Anwohnerparkplätze vorgehen?
Eine Lösung der Stadt sind Bewohnerparkgebiete, die immer weiter ausgebaut werden. Diese lösen das Problem aber nicht wirklich, da Falschparker*innen die Schilder ignorieren und sich auch ohne Erlaubnis einfach hinstellen. Zudem finden manche Anwohner*innen trotz Anwohnerparkausweis keinen Parkplatz. Hier stellt sich die Frage, ob Anwohner*innen gegen die Regelungen der Stadt vorgehen können. Wie ein Fall in Leonberg zeigt, ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht möglich. Allerdings ist dieser Prozess zäh und würde auch in Bremen die Parksituation nicht lösen.
Welche Alternativen gibt es zum Auto in Bremen?
Hand aufs Herz: Unsere öffentlichen Verkehrsmittel und die vielen Radwege in Bremen bieten die Möglichkeit, auch ohne Auto bequem von A nach B zu kommen. Busse und Straßenbahnen sind vorhanden, sodass viele Argumente für die Notwendigkeit eines Autos nicht schlagkräftig sind. Auch mit dem Rad oder zu Fuß können viele Wege bestritten werden. Zudem gibt es inzwischen die Möglichkeit, E-Bikes- und E-Scooter zu leihen, wodurch hohe Anschaffungskosten entfallen. Auch das Gründen von Fahrgemeinschaften kann helfen, die Autolast in Bremen zu reduzieren. Geht es doch mal nicht ohne Auto, gibt es die Möglichkeit, ein Fahrzeug bei Cambio oder einem anderen Carsharing-Anbieter zu buchen – so kommen Personen in die Vorteile eines Pkw, solange sie es wirklich benötigen. Danach wird es direkt weiterverwendet, ohne die Fußwege unnötig zu blockieren.
Denn ja: Der Platz in der Stadt ist ungleich verteilt. Es gibt zu wenig Platz für die Anzahl der Fahrzeuge in Bremen, wodurch es jeden Tag zu Behinderungen für Fußgänger*innen, Radfahrende und Personen, die wirklich ein Fahrzeug benötigen, kommt. Wer in ein dicht besiedeltes Gebiet zieht, kann sich nicht auf persönliche Gründe berufen, um einen Anspruch auf einen Platz für das eigene Auto zu begründen. Es gibt genug Alternativen: sei es, woanders hinzuziehen oder die Angebote des Umweltverbunds zu nutzen. Insbesondere in einer Fahrradstadt wie Bremen.
Verfasser: Florian Fischer (VFR-Verlag für Rechtsjournalismus)
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